Eigentlich wollte Patti Smith ihren 75. Geburtstag auf der Bühne und mit ihren Fans feiern. Doch wegen der rasanten Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus musste die „Patin des Punk“ ihr für Donnerstag im US-Bundesstaat New York geplantes Geburtstagskonzert auf Ende Februar verschieben. „Ich hatte mich so gefreut, mit euch allen 75 Jahre alt zu werden“, sagte die Rock-Ikone über Weihnachten in einem Instagram-Video. „Aber ich werde im Februar immer noch 75 Jahre alt sein. Und schon das allein ist ein bisschen eine Leistung.“
Die Kultsängerin, Songwriterin und Schriftstellerin blickt in der Tat auf ein bewegtes Leben mit vielen privaten Schicksalsschlägen zurück. Ihr Ehemann, der als Gitarrist der Rockband MC5 bekannt gewordene Fred „Sonic“ Smith, starb 1994 plötzlich an einem Herzanfall, enge Freunde wie der Avantgarde-Fotograf Robert Mapplethorpe erlagen schweren Krankheiten.
Smith hat sich selbst als „Überlebende“ bezeichnet – und sich vom selbstzerstörerischen, von Drogen geprägten Lebenswandel anderer Rockstars ferngehalten. „Ich habe in einem jungen Alter entschieden, dass ich leben will“, sagte sie einmal. Idole wie „Doors“-Sänger Jim Morrison hätten sie nicht wegen ihres ausschweifenden Lebensstils, sondern wegen ihrer Arbeit angezogen. „Um arbeiten zu können, muss man gesund sein.“
Smith kam am 30. Dezember 1946 in Chicago auf die Welt und wuchs im Bundesstaat New Jersey in einfachen Verhältnissen auf. 1967 zog sie nach New York, mischte als Dichterin in der Underground-Künstlerszene der Millionenmetropole mit und wandte sich immer mehr der Musik zu. 1975 brachte sie ihr erstes Album „Horses“ heraus, das stilprägend für den Punkrock wurde und heute Kultstatus genießt.
Auf ihr zweites Album „Radio Ethiopia“ 1976 folgte zwei Jahre später „Easter“ mit ihrem wohl bekanntesten Song „Because the Night“, den sie zusammen mit Bruce Springsteen schrieb. Nach ihrem vierten Album „Wave“ löste Smith ihre Band auf und zog nach Detroit, wo sie jahrelang zurückgezogen mit ihrem Ehemann lebte und zwei Kinder großzog. Ihre musikalische Karriere nahm sie erst in den Jahren nach dem Tod ihres Mannes wieder voll auf und ging unter anderem mit Bob Dylan auf Tournee.
Dabei hadert Smith mit ihren Fähigkeiten als Musikerin. „Es ist mir peinlich, wenn Leute mich als Musikerin bezeichnen“, sagte sie 2015. Sie könne auf der Gitarre nur „ein paar Akkorde spielen“ und habe sich eigentlich immer mehr als „Performance-Künstlerin“ gesehen.
Unbestritten aber ist, dass Smith viele künstlerische Talente hat. Sie zeichnet, malt, fotografiert und schreibt Poesie. Für ihr 2010 erschienenes autobiografisches Buch „Just Kids – Die Geschichte einer Freundschaft“ über ihr Zusammenleben mit Robert Mapplethorpe gewann sie den renommierten US-Literaturpreis National Book Award. Später schrieb sie mit „M Train – Erinnerungen“ und „Im Jahr des Affen“ noch zwei weitere Memoiren.
Doch natürlich ist die Sängerin mit den langen grauen Haaren, die 2007 in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, in erster Linie für ihre Musik bekannt. Ihren Ruhm nutzt sie regelmäßig für Kritik an gesellschaftlichen und politischen Missständen, sie prangert Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Untätigkeit beim Kampf gegen den Klimawandel, die Verbreitung von Falschinformationen und einen schädlichen Einfluss von Online-Plattformen an. Immer wieder tritt sie außerdem bei Benefizkonzerten auf.
Dass sie jetzt wegen der Corona-Pandemie ihr Geburtstagskonzert und zwei weitere geplante Auftritte verschieben musste, nahm Smith mit Humor. „Ich werde mich nützlich machen“, schrieb sie auf Instagram. „Wäsche waschen, spazieren gehen, nachdenken, Katzenspielzeug unter meinem Bett retten.“