Nach den Berichten über die Spionage der Regierung in Warschau gegen Oppositionelle hat ein an der Aufdeckung der Vorwürfe beteiligter IT-Forscher weitere Enthüllungen vorhergesagt. „Wir glauben, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist und dass es noch weitere Entdeckungen geben wird“, sagte John Scott-Railton, ein leitender Forscher der in Kanada ansässigen Cybersicherheitsorganisation Citizen Lab, der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch.
„Es ist schockierend und es sieht sehr schlimm aus“, sagte der Forscher weiter. Die bei dem Spionageangriff verwendete Software „Pegasus“ sei ein „Werkzeug von Diktatoren“. Ihre Verwendung in diesen Fällen deute „auf einen autoritären Abstieg in Polen hin“.
Am Dienstag hatte bereits der polnische Oppositionsführer Donald Tusk von der „größten und tiefsten Krise der Demokratie“ seit dem Ende des Kommunismus in Polen gesprochen. Er forderte einen Untersuchungsausschuss zu den Vorwürfen, nach denen gegen seinen Parteifreund Krzystof Brejza und andere die Spionage-Software Pegasus eingesetzt worden sein soll.
In der vergangenen Woche hatte die Forschungsgruppe Citizen Lab mit Sitz in Kanada bestätigt, dass Pegasus auch gegen den Anwalt Roman Giertych und die Staatsanwältin Ewa Wrzosek eingesetzt wurde, die den Umbau der Justiz in Polen kritisieren.
„Ihr Leben wurde genau überwacht – das war sehr invasiv“, sagte Scott-Railton AFP am Mittwoch.
Die von dem israelischen Unternehmen NSO entwickelte Pegasus-Software ist in der Lage, sämtliche Daten von damit angegriffenen Mobiltelefonen auszulesen. Außerdem kann Pegasus unbemerkt Kamera und Mikrofon des Gerätes anschalten. NSO hatte AFP gegenüber erklärt, dass Pegasus „nur an legitime Strafverfolgungsbehörden verkauft wird, die diese Systeme auf der Grundlage von Haftbefehlen zur Bekämpfung von Kriminellen, Terroristen und Korruption einsetzen“.
Die polnischen Medien sprachen von einem „polnischen Watergate“ und zogen Parallelen zu dem Abhörskandal in Washington 1972, der später zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führte.
Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki erklärte, ihm seien keine Abhörvorfälle bekannt. Falls sich die Vorwürfe erhärten sollten, könne es sich möglicherweise um Aktivitäten ausländischer Geheimdienste handeln.