Dutzende User haben seit Ende November ein Foto auf Facebook, Twitter und Pinterest geteilt, das angeblich Schneeflocken unter einem Mikroskop zeige. In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um eine Papierskulptur des britischen Künstlers Rogan Brown. Expertinnen für Meereisphysik und Kristallographie erklärten, dass Schneeflocken andere Formen annehmen, als sie auf dem Bild zu sehen sind.
Dutzende User haben das Bild seit dem 26. November in sozialen Netzwerken geteilt (hier, hier). Die Aufnahme kursierte auch bereits im Januar 2021 auf Facebook (hier, hier).
Die Falschbehauptung
In den Erklärungen zum Bild heißt es: „Schneeflocken unter einem Mikroskop. Zauberhafte Anmut!“
Eine Bildsuche führte AFP Faktencheck zunächst zu einem Beitrag auf Pinterest. Dort wird die Aufnahme jedoch anders beschrieben: „Die unglaubliche Papierskulptur von Rogan Brown.“
Eine weitere Suche nach dem Bild unter Einbeziehung des Namens „Rogan Brown“ führte AFP auf die Internetseite des britischen Künstlers. In seinem Portfolio zu „Paper Sculptures“ ist das geteilte Bild mit dem Titel „Magic Circle Variation 5“ zu finden. Laut Bildunterschrift ist die Arbeit von 2015. Bei der aktuell geteilten Variante handelt es sich lediglich um eine um 90 Grad gedrehte Version des Bildes.
AFP Faktencheck kontaktierte den Künstler am 22. Dezember 2021 zu dem Bild. In einer E-Mail bestätigte Rogan Brown:
„Das Kunstwerk ist von mir. Es handelt sich um eine Papierskulptur, die aus lasergeschnittenem, handmontiertem Papier besteht. Sie stellt keine Schneeflocken unter dem Mikroskop dar. Es ist ein Versuch, eine vielfältige Bakterienkolonie zu visualisieren.“
Rogan Brown hat im Oktober 2020 auch ein Video auf Facebook hochgeladen. Darin zeigt er, wie er eine ähnliche Papierskulptur zusammensetzt:
Schneeflocken sehen unter dem Mikroskop anders aus
AFP hat auch Dr. Stefanie Arndt, Meereisphysikerin am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, zum Bild kontaktiert. In einem Telefonat am 22. Dezember erklärte sie: „Ich weiß nicht, was das Bild zeigt, aber es ist definitiv keine Schneeflocke.“
Sie erklärte weiter, dass Schneeflocken normalerweise eine sechseckige oder tetraedrische Struktur aufweisen würden. „Jeder Schneekristall ist sehr individuell. Unter dem Mikroskop müsste man aber immer die Verästelung sehen und die sieht man auf dem Bild gar nicht.“
So sehen echte Schneeflocken aus:
Schneeflocken könnten zwar viele unterschiedliche Formen annehmen. Auch runde und Säulenformen seien möglich. Das geschehe aber durch Schneemetamorphose. „Das ist die Umformung von Schneeeis durch Temperaturunterschiede, Wind oder Druck. Bei sehr tiefen Temperaturen wachsen zum Beispiel durch Wasserdampfverlagerungen auch Säulen. Auch runde Formen gibt es. Aber unter dem Mikroskope müsste man trotzdem die Verästelungen sehen.“
Dr. Petra Schiebel vom Institut für Kristallographie an der Universität Tübingen erklärte in einer öffentlich einsehbaren Vorlesung außerdem schon im Jahr 2001, wie genau es zu den symmetrischen Formen von Schneeflocken kommt und wie sich diese auf dem Weg vom Himmel zur Erde verändern.
In der Vorlesung erwähnt sie auch die Schneeflocken-Fotografie-Sammlung „The Snowflake: Winter’s Secret Beauty“ von Kenneth Libbrecht. Einen Einblick in das Buch und Bilder echter Schneeflocken gibt es hier.
Fazit
Das auf Facebook geteilte Bild zeigt keine Schneeflocken unter dem Mikroskop. In Wirklichkeit zeigt es eine Papierskulptur des Künstlers Rogan Brown. Er erklärte, dass er versucht habe, damit eine Bakterienkolonie zu visualisieren. Schneeflocken haben außerdem unter dem Mikroskop geometrisch symmetrische und sechseckige Formen, erklärten zwei Expertinnen.