Dem Chemieriesen Bayer droht in Deutschland wegen der umstrittenen Übernahme des US-Unternehmens Monsanto ein Kapitalanleger-Musterverfahren. Die Anwaltskanzlei Tilp teilte am Dienstag mit, bis zur Verjährungsfrist am 30. Dezember hätten rund 320 Investoren Klagen auf Schadenersatz eingereicht. Sie werfen Bayer demnach Täuschung über die wirtschaftlichen Risiken der Monsanto-Übernahme vor; die Forderungen summieren sich auf rund 2,2 Milliarden Euro.
Bayer hatte die Übernahme von Monsanto 2016 angekündigt und 2018 abgeschlossen. Der US-Konzern stellt den Unkrautvernichter Roundup mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat her. In den USA klagen tausende Menschen auf Schadenersatz, die Krebserkrankungen auf den Kontakt mit Roundup zurückführen. Der Wert der Bayer-Aktie sank deswegen zeitweise stark.
Die Investoren werfen Bayer laut Kanzlei vor, den Kapitalmarkt über die wirtschaftlichen Risiken für den Konzern getäuscht zu haben, die die in den USA anhängigen Verbraucherklagen im Zusammenhang mit Glyphosat und Roundup infolge der Monsanto-Übernahme mit sich brachten. „Ein Emittent börsennotierter Wertpapiere muss den Kapitalmarkt über Insiderinformationen unverzüglich und vollumfänglich in Kenntnis setzen. Dies hat Bayer nach unserer Überzeugung nicht getan, weder in seinen Finanzberichten noch in Ad-hoc-Mitteilungen“, erklärte Tilp-Rechtsanwalt Axel Wegner.
Die Kläger hätten deshalb im Zeitraum von September 2016 bis März 2019 Bayer-Aktien zu teuer erworben. Bayer hafte „nach unserem Dafürhalten auf Schadensersatz“, erklärte Wegner.
Die Kanzlei hatte im Juli 2020 für einen Anleger „Pilotklage“ erhoben und die Einleitung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens beantragt. Zu den klagenden Investoren gehören mittlerweile 288 institutionelle Investoren wie Banken, Versicherungen und Pensionsfonds aus mehreren Ländern sowie zahlreiche Privatanleger.
Das Landgericht Köln entschied Mitte Dezember 2021, der Antrag sei zulässig. Die Kanzlei rechne nun damit, dass das Gericht in den nächsten Monaten einen sogenannten Vorlagebeschluss erlassen wird, erklärte Tilp-Anwalt Christian Herrmann. Dann könne das Musterverfahren möglicherweise noch im Jahr 2022 beginnen.
Bayer weist die Vorwürfe zurück. „Wir halten die Klagen wegen angeblich fehlerhafter Kapitalmarkt-Kommunikation im Zusammenhang mit der Monsanto-Akquisition für unbegründet“, erklärte das Unternehmen bereits im Dezember. Bayer habe die Gesetze eingehalten und sei seinen Veröffentlichungspflichten nachgekommen. „Wir werden uns in dem Verfahren dementsprechend verteidigen.“