Bundesregierung setzt im EU-Streit um „grüne“ Atomkraft auf Verhandlungen

Symbolbild: Atomkraftwerk
Symbolbild: Atomkraftwerk

Die Bundesregierung ist mit dem Vorhaben der EU-Kommission unzufrieden, Atomkraftanlagen als förderwürdig einzustufen – hält mögliche Klagen dagegen aber für weitgehend aussichtslos. Die EU-Kommission sei hier wohl „rechtlich auf sicherem Terrain“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hofft, dass Deutschland auf politischem Wege noch Änderungen durchsetzen kann. Laut Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) soll das genaue Vorgehen bald feststehen.

Im Namen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte Hebestreit am Montag Kritik an den Plänen der EU-Kommission. „Die Einschätzung zu Atomkraft lehnen wir ausdrücklich ab“, sagte er.

Eine Klage wäre allerdings nur möglich, wenn die EU-Kommission mit der Regelung ihren Kompetenzbereich überschritten hätte – gegen den Inhalt könne aber nicht gelagt werden, fügte Hebestreit hinzu. „Da scheint die Europäische Kommission rechtlich auf sicherem Terrain.“ Die österreichische Regierung hatte zuvor mit Klage gedroht, falls die Kommission tatsächlich die Energiegewinnung sowohl aus Atomkraft als auch aus Erdgas als nachhaltig einstuft.

Zum Thema Erdgas sagte Hebestreit, die geplante Einstufung solcher Kraftwerke als förderwürdig stehe durchaus „im Einklang“ mit der Haltung der Bundesregierung, weil solche Kraftwerke als Brückentechnologie bei der Umstellung auf Erneuerbare Energie benötigt würden. Allerdings hätte es eine solche Einstufung aus Sicht von Scholz und seiner Regierung „nicht gebraucht“, fügte er hinzu.

Die Bundesregierung werde die Vorschläge der EU-Kommission nun „intensiv“ prüfen und dann zu einer „abgestimmten Haltung“ kommen, sagte Hebestreit. Umweltministerin Lemke drückte dabei aufs Tempo: „Wir werden die EU-Vorlage jetzt schnell prüfen und uns in der Bundesregierung abstimmen“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Sie hatte sich ebenso wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Wochenende sehr negativ über die EU-Pläne geäußert.

„Wir werden alles tun, um als Bundesrepublik unseren Einfluss geltend zu machen“, sagte Justizminister Buschmann am Montag im TV-Sender Welt. „Dass die Grünen sich natürlich wünschen, dass Atom- oder Kernenergie kein grünes Label bekommt, das kann ich auch nachvollziehen – das ist ja für viele in Deutschland auch kontraintuitiv.“

Die Kommission hatte ihren Vorschlag für die sogenannte Taxonomieverordnung am Silvesterabend an die EU-Mitgliedstaaten geschickt, die sich nun rund zwei Wochen lang dazu positionieren können. Mitte Januar will die Brüsseler Behörde dann eine finale Version vorstellen. Die Taxonomie ist eine Art Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten und kommt einer Einstufung als förderwürdig und einer Empfehlung an Investoren gleich.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte eine klare Absage von Scholz an das Vorhaben. „Nur mit einem Nein gegen Atomkraft und Gas als nachhaltige Technologien in der EU-Taxonomie bleibt er glaubwürdig“, erklärte Geschäftsführerin Antje von Broock. „Der BUND erwartet eine klare Stellungnahme für eine Energiewende im Einklang mit Nachhaltigkeit, Klimaneutralitätszielen und dem bereits beschlossenen deutschen Atomausstieg.“

Dagegen lobte AfD-Chef Jörg Meuthen die geplante Einstufung der Atomenergie als nachhaltig. Der Vorstoß der EU-Kommission sei „die völlig richtige Anerkennung einer unumstößlichen Tatsache“, erklärte der Europaabgeordnete. „Meint man es ernst mit der Reduktion von CO2-Emissionen, ohne dabei Deindustrialisierung der Wirtschaft, Verarmung der Massen, Bevormundung der Bürger und eine Energiekrise in Kauf zu nehmen, kommt man an der Atomkraft definitiv nicht vorbei.“

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