Die Sieben-Tage-Inzidenz beträgt in China seit Monaten nahezu null. Dennoch befinden sich derzeit mehrere Millionenstädte in der Volksrepublik im Lockdown. Die strikten Maßnahmen sind Teil einer rigorosen Null-Covid-Strategie, mit der es Peking bislang gelingt, immer wieder einzelne Corona-Ausbrüche unter Kontrolle zu bringen. Mindestens bis zu den Olympischen Winterspielen im Februar will die Regierung die harten Pandemie-Maßnahmen beibehalten, auch wenn diese durchaus ihren Preis haben.
DIE STRATEGIE
China gehört zu den wenigen Ländern, die weiterhin versuchen, das Coronavirus komplett einzudämmen. Sobald auch nur einige wenige Fälle diagnostiziert werden, stellen die Behörden ganze Städte unter Quarantäne und testen alle Bewohner. Die Menschen dürfen ihre Häuser nicht verlassen, enge Kontaktpersonen Infizierter werden zwangsweise in Quarantäne-Hotels untergebracht.
Seit Dezember gilt für die 13-Millionen-Stadt Xi’an ein Lockdown. Mittlerweile sind auch die eine Million Einwohner von Yuzhou und die fünf Millionen Einwohner von Anyang von einer solchen Anordnung betroffen.
Die Corona-App ist in der Volksrepublik verpflichtend, so dass Kontakte leicht nachverfolgt werden können. Der internationale Flugverkehr ist immer noch stark eingeschränkt, ankommende Passagiere müssen wochenlang in Quarantäne.
IHRE WIRKUNG
Bislang wurden in dem Land, in dem die Pandemie vor zwei Jahren begann, rund 100.000 Corona-Fälle unter den 1,4 Milliarden Chinesen registriert. Länder wie Frankreich und Spanien melden derzeit an einem einzigen Tag weit mehr Neuinfizierte. Abgesehen von den regionalen Lockdowns hat sich das Leben in China weitgehend normalisiert.
„Wir können das Auftreten einzelner Fälle auf lokaler Ebene nicht verhindern, aber wir sind zuversichtlich, dass wir in der Lage sind, die Ansteckungsherde schnell zu beseitigen“, sagte Liang Wannian von Chinas Nationaler Gesundheitskommission im Dezember.
DIE KOSTEN VON NULL COVID
Die Null Covid-Strategie hat ihren Preis. Vor Kurzem erschütterte der Fall einer Schwangeren die Öffentlichkeit, die eine Fehlgeburt erlitt, weil sie mangels eines aktuellen Corona-Tests nicht behandelt wurde.
Besonders hart trifft es die Menschen in den Grenzgebieten zu Myanmar, wo Lockdowns ein Dauerzustand sind. Dort wurden Lebensmittel knapp, Unternehmen wanderten bereits ab. Auch Fabrikschließungen andernorts schadeten Experten zufolge dem Wirtschaftswachstum, das aber insgesamt durch die Pandemie weit weniger ausgebremst wurde als in anderen großen Ländern.
DIE PERSPEKTIVE
„China hat gezeigt, dass man die Null-Covid-Strategie fast unbegrenzt fortsetzen kann“, sagt der Epidemiologe Ben Cowling von der Universität Hongkong. Mit einer Öffnung wird frühestens nach den Olympischen Winterspielen und den Paralympischen Spielen in Peking Mitte März gerechnet. Bis dahin ist die Corona-Überwachung in der Hauptstadt besonders streng. Die wenigen Kritiker der Null-Covid-Strategie werden mundtot gemacht.
RISIKEN EINER ÖFFNUNG
Forscher der Universität Peking warnen vor einem „kolossalen Ausbruch“, sollte das Land die Corona-Maßnahmen lockern. Das Gesundheitssystem würde zusammenbrechen. Ein solches Szenario könnte durch an die Virus-Varianten Omikron und Delta angepasste Impfstoffe und die sehr hohe Impfquote verhindert werden, sagt hingegen der Infektiologe Ivan Hung von der Universität Hongkong.
Schwierig könnte es für die kommunistische Führung werden, der Bevölkerung einen Strategiewechsel und damit ungewohnt hohe Infektionsraten zu vermitteln. Denn bislang propagierte Peking mit Verweis auf die vielen Kranken und Toten im Rest der Welt den eigenen Kurs als den einzig richtigen.