Das wichtigste Machtmittel eines Bundespräsidenten ist das Wort. Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier hat es oft ergriffen: 567 Reden und Grußworte hat das Bundespräsidialamt seit Steinmeiers Amtsantritt 2017 dokumentiert. Diese Zahl dürfte weiter steigen – denn mit der am Dienstag erklärten Zustimmung der Grünen gilt Steinmeiers Wiederwahl am 13. Februar als sicher. Zentrale Themen und Rede-Äußerungen seiner ersten Amtszeit:
Corona-Pandemie
Das Zurschaustellen von Ungeduld zählt nicht unbedingt zum rhetorischen Standard-Repertoire von Steinmeiers Reden. Bei einer Diskussionsveranstaltung am 15. November 2021 konnte er sich allerdings einen Stoßseufzer nicht verkneifen:
„Wer jetzt immer noch zögert, sich impfen zu lassen, den will ich heute ganz direkt fragen: Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen? Ich bitte Sie noch einmal: Lassen Sie sich impfen! Es geht um Ihre Gesundheit, und es geht um die Zukunft Ihres Landes!“
Krise der Demokratie
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2017 hatte Steinmeier das Werben für die Demokratie zu den Schwerpunkten seiner Präsidentschaft erklärt. Vor allem das Erstarken von Verschwörungstheorien bot ihm in den Jahren danach reichlich Anlass dazu – so etwa am 17. Mai 2019 in einer Rede im Kloster Dahlheim:
„Trotz allen Fortschritts in Wissenschaft und Gesellschaft: Bis heute glauben viele Menschen daran, dass sich reale oder irreale Verschwörer im Geheimen zusammentun, um dunkle, oft verbrecherische Komplotte zu schmieden. Im Netz, in den sozialen Netzwerken finden solche Vorstellungen dann breite Resonanz. Der Kampf gegen Desinformation und Verschwörungstheorien ist eine der großen Herausforderungen für die liberalen Demokratien.“
Spaltung der Gesellschaft
Die gesellschaftlichen Verwerfungen im Zuge der Pandemie prägten die letzten beiden Jahre von Steinmeiers erster Amtszeit – und schlugen sich in vielen seiner Reden nieder. Bei der Eröffnung des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt am 14. Mai 2021 formulierte er eine besorgte Beschreibung der Spaltung der Gesellschaft:
„Ob es die Pandemie ist, der Kampf gegen den Klimawandel, die Frage der Zuwanderung – ich sehe mit Sorge, dass die Auseinandersetzungen in unserem Land mit immer größerer Erbitterung geführt werden. Dass Familien im Streit zerbrechen, Freundschaften auseinandergehen; dass Räume des Dialogs ersetzt werden durch Filterblasen, in denen Hass und Hetze gedeihen.“
Antisemitismus
Kritik am Antisemitismus war eines der Leitmotive von Steinmeiers erster Amtszeit. In der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zog er am 23. Januar 2020 eine kritische Bilanz der Lage in Deutschland:
„Ja, wir Deutsche erinnern uns. Aber manchmal scheint es mir, als verstünden wir die Vergangenheit besser als die Gegenwart. Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.“
Weltpolitik
In Steinmeiers Reden schimmert des öfteren durch, dass der Bundespräsident zuvor zwei Mal Bundesaußenminister gewesen ist – die Außenpolitik liegt ihm. Vor der Vollversammlung der UNO am 24. September 2021 in New York zeichnete Steinmeier seine Vorstellung von einer engagierten deutschen Außenpolitik:
„Deutschland bleibt auch nach dieser Wahl ein Land, das um seine internationale Verantwortung weiß und sie wahrnimmt. Für uns Deutsche ist – auch nach dem Scheitern in Afghanistan -, Rückzug von der Welt keine Option. Solange Menschen ihrer Würde beraubt werden, ist Gleichgültigkeit keine Option!“