Forscher des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) haben in der Antarktis das nach ihren Angaben vermutlich größte bisher bekannte Fischbrutgebiet der Welt entdeckt. Das Areal auf dem Grund des Weddellmeers beherberge schätzungsweise 60 Millionen Nester von Eisfischen auf 240 Quadratkilometern, teilte das AWI am Donnerstag mit. Entdeckt wurden die Nester demnach vor fast einem Jahr durch Unterwasseraufnahmen bei einer Expedition.
Forscher bemerkten an Bord des Forschungseisbrechers „Polarstern“ bei einer Fahrt viele tausend Eisfischnester auf dem Grund des Weddellmeers, als sie live Bildaufnahmen eines von dem Schiff geschleppten Unterwasserkamerasystems auswerteten. Der Fund kam völlig überraschend und löste bei den Experten Begeisterung aus. Durchschnittlich zählten sie ein aktives Nest alle drei Quadratmeter, teils noch viele mehr.
Die Gesamtgröße des Brutgebiets veranschlagten die Forscher später anhand ozeanografischer und biologischer Kartierung auf 240 Quadratkilometer mit einer geschätzten Gesamtzahl von rund 60 Millionen Nestern. Das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Frankfurt am Main. AWI-Biologe und Studienerstautor Autun Purser bezeichnete die Entdeckung, welche die Forscher jetzt in der Zeitschrift „Current Biology“ vorstellten, als „faszinierend“.
Das Weddellmeer ist ein Teil der antarktischen Küste im äußersten Südatlantik. Es ist laut AWI seit den 80er Jahren immer wieder Ziel von Forschungsfahrten der „Polarstern“. Dabei seien zuvor aber immer nur einzelne Eisfische der Art Neopagetopsis ionah oder kleinere Ansammlungen von Nestern registriert worden.
Die Fische legen dem Institut zufolge zu Brutzwecken kreisrunde Steinnester auf dem Meeresboden an, in die sie bis zu 2500 Eier legen. Gelege werden häufig von einem erwachsenen Fisch bewacht.
Konkret gelang den Forschern anhand der Bildaufnahmen zunächst der Nachweis von mehr als 16.000 Nestern, durch Sonarsignale des Kameraschlittens wurden mehr als hunderttausend Nester bestätigt. Die Gesamtgröße kalkulierten sie durch weitere Untersuchungen erst später. Das Einzugsgebiet des Brutareals in einer Wassertiefe von 420 bis 535 Metern stimme mit einer Zone überein, in der wärmeres Tiefenwasser einströmt, berichtete das AWI weiter.
Nach aktuellem Forschungsstand handle es sich wahrscheinlich um die räumlich ausgedehnteste bekannte Fischbrutkolonie, schrieben die Bremerhavener Wissenschaftler in „Current Biology“. In der Entdeckung sehen sie auch ein weiteres Argument für ein großes Meeresschutzgebiet im atlantischen Sektor der Antarktisküste.
Das Brutgebiet sei ein „äußerst wichtiges Ökosystem für das Weddellmeer“, betonten sie. Weitere Untersuchungen zeigten etwa, dass das Areal mit aktiven Eisfischnestern ein begehrtes Ziel von Weddellrobben sei, die dort vermutlich auf Nahrungssuche gingen. Das hätten Forschungen mit Peilsendern an Robben ergeben.
Auch Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zeigte sich von den neuen Erkenntnissen des AWI beeindruckt. „Ich gratuliere den beteiligten Forscherinnen und Forschern zu ihrem faszinierenden Fund“, erklärte sie in Berlin. Erneut habe die deutsche Meeres- und Polarforschung damit „ihre herausragende Bedeutung unter Beweis gestellt“. Deutsche Forschungsschiffe wie die „Polarstern“ seien „schwimmende Labore der Umweltforschung“.