Der finnische Notenbankchef Olli Rehn, Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), hält Zinserhöhungen im Euroraum im Jahr 2023 für „logisch“. Voraussetzung sei, dass es keine „neuen wirtschaftlichen Störungen gibt“, sagte Rehn dem „Handelsblatt“ vom Montag. Die Treiber der Inflation dürften seiner Ansicht nach im Jahresverlauf nachlassen; die Teuerungsrate im Euro-Raum werde in den nächsten beiden Jahren bei etwa zwei Prozent liegen.
Das weitere Tempo bei der Normalisierung der Geldpolitik im Euro-Raum hänge von den Daten ab, betonte Rehn. „Ich persönlich gehe davon aus, dass die wirtschaftlichen Daten trotz der Beeinflussung durch die Omikron-Variante relativ gut bleiben werden.“ Aus diesem Grund halte er Zinserhöhungen im Jahr 2023 für logisch.
In der Debatte um die EU-Fiskalregeln plädierte der frühere EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung für Anpassungen. Die Regeln müssten zugleich konsequent, realistisch und flexibel sein, sagt Rehn der Zeitung. „Eine Schuldengrenze von rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wie sie die bisherige Regelung vorschreibt, ist eindeutig unrealistisch.“ Italiens Schuldenquote etwa werde nach der Pandemie voraussichtlich bei etwa 160 Prozent liegen. „Wenn Ziele unerreichbar sind, werden sie auch nichts bewirken.“
Zur deutschen Energiepolitik sagte Rehn: „Die Entscheidungen über die Energiepolitik in Deutschland wirken sich auf Preisschwankungen und damit auf die Unsicherheit über die Inflation aus“, sagte Rehn dem „Handelsblatt“ weiter. „Der Umstieg von Kohle auf Erdgas ist für mich kein grüner Umstieg, und diese Übergangsphase wird in Deutschland noch lange dauern.“ Finnland setzt anders als Deutschland auf Atomkraft.