Einmal mehr nutzt die Linke die Wahl des Bundespräsidenten, um die Aufmerksamkeit auf die Armut im Lande zu lenken: Sie schickt den Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert ins Rennen um das höchste Amt im Staat. Er wolle „als Fürsprecher von Menschen auftreten, die zu wenig gehört werden“, bekundet der engagierte Arzt, der sich seit Jahrzehnten im In- und Ausland für Menschen in Not engagiert.
Seit Jahrzehnten engagiert sie der „Arzt der Armen“ etwa für Menschen, die keine Krankenversicherung haben. Seine jetzige Kandidatur speist sich wohl auch aus seiner Ernüchterung darüber, dass sich bei allem Engagement die politischen Verhältnisse in Deutschland wenig geändert haben. Er habe „das Gefühl, dass die soziale Ungleichheit zugenommen hat“, sagte er nach seiner offiziellen Nominierung der Linken für das Präsidentenamt am Dienstag in Berlin.
Der Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie ist seit Jahrzehnten auf den verschiedensten Ebenen aktiv: Er initiierte 1994 das „Mainzer Modell“ – ein Arztmobil als niedrigschwellige medizinische Versorgungseinrichtung für wohnungslose Menschen. 1997 hob er den Verein Armut und Gesundheit in Deutschland aus der Taufe, dessen Vorsitzender er seither ist. Zudem gründete er eine Poliklinik für Menschen ohne Krankenversicherung und rief einen Verein für Kinder an Krebs erkrankter Eltern ins Leben.
Schließlich war er als Arzt in Krisengebieten und Flüchtlingscamps in den verschiedensten Ländern tätig und war bei der Einsätzen zur Seenotrettung im Mittelmeer an Bord. So kümmerte sich Trabert nach dem Brand von Moria auf Lesbos um Menschen mit Behinderungen und beklagte dabei: „Das ist kein Lebensraum für gehandikapte Menschen.“
Klare Ansagen zur Situation von Geflüchteten vermisst Gerhard Trabert beim derzeitigen Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier habe bei dem Thema „weiße Flecken“, beklagt Trabert in der „Süddeutschen Zeitung“ – und hält dem Amtsinhaber weitere Versäumnisse vor: „Die Themen soziale Benachteiligung und Armut, die haben bisher bei ihm keine große Rolle gespielt.“
Die Linke ist sichtlich erfreut über die Kandidatur des emsigen Mediziners. „Ein Mensch der Tat mit großem Herzen“, lobt Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow den Präsidentschaftsbewerber, der bei der Bundestagswahl vom September 2021 in Mainz mit Linken-Unterstützung als parteiloser Direktkandidat angetreten war – und immerhin 12,4 Prozent der Erststimmen schaffte.
Mit Trabert hat die Linke abermals einen Kandidaten für das höchste Staatsamt aufgestellt, der zwar für ein Kernthema der Partei steht, ihr aber nicht angehört. 2017 hatte die Linke den Armutsforscher Christof Butterwegge ins Rennen geschickt.
Symbolträchtige Präsidentschaftskandidaturen haben Tradition bei der Linken: 1999 schickte die damalige PDS die 2021 verstorbene Theologin Uta Ranke-Heinemann ins Rennen, zehn Jahre später stellte die Linke den Schauspieler Peter Sodann auf. 2012 nominierte sie die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld.
Traberts Kandidatur ist zwar ebenso wie alle vorherigen Linken-Bewerbungen aussichtslos, aber die Partei kann damit wenigstens für einen Augenblick von ihrer düsteren Lage ablenken, in der sie sich seit der Schlappe von der Bundestagswahl im vergangenen Jahr befindet.
Damals hätte sie mit 4,9 Prozent der Stimmen fast den Wiedereinzug in den Bundestag verpasst. Den Umfragen zufolge hat sie bislang kaum an Zustimmung gewonnen, stattdessen gibt es schwierige Debatten über das Personal und die künftige Neuaufstellung. Da kommt der Partei eine vielbeachtete Präsidentschaftskandidatur gut zupass.