Vor einer am Mittwoch stattfindenden Kultusministerkonferenz (KMK) zur Coronalage an den Schulen hat die Kultusministerin von Schleswig-Holstein und neue KMK-Vorsitzende, Karin Prien (CDU), weitere Schulschließungen in Deutschland abgelehnt. „Wir müssen uns klarmachen: Für Kinder und Jugendliche bedeuten Schulschließungen eine massive Einschränkung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten, ihrer Lernchancen, der Chancengerechtigkeit“, sagte Prien am Dienstag dem Fernsehsender Phoenix. „Das dürfen wir so nicht weitermachen.“
Prien sagte, Deutschland habe bisher auf Kosten der Schulkinder die Corona-Pandemie bekämpft. Während hierzulande an über 180 Tagen die Schulen geschlossen oder im eingeschränkten Betrieb gewesen seien, seien es in Frankreich 50 Tage und in Schweden rund 30 Tage gewesen.
Die Schulen sollten im Regelbetrieb nach den Weihnachtsferien öffnen, der Schulbetrieb sei verantwortbar und richtig, sagte die KMK-Vorsitzende. So gebe es auch bisher keine Hinweise darauf, dass die sich ausbreitende Omikron-Variante für Schulkinder gefährlicher sei als die bis zu den Weihnachtsferien dominierende Delta-Variante des Coronavirus.
Die Einschätzung, dass der Schulbetrieb verantwortbar sei, begründete die KMK-Vorsitzende auch mit dem nach Ferienende in allen Bundesländern strengeren Testregime, mit konsequenten Hygienebedingungen wie dem Tragen von Masken über alle Schularten und Klassenstufen hinweg sowie einem klaren Lüftungskonzept.
Die Chefin der Bildungsgewerkschaft GEW, Maike Finnern, erwartet hingegen, dass nicht an allen Schulen weiterhin durchgängig Präsenzunterricht möglich ist. „Wir müssen uns ehrlich machen – es wird Schulen geben, die auf Distanz unterrichten müssen“, sagte Finnern dem Portal Business Insider. Dazu könne es durch eine hohe Zahl an Corona-Infektionen oder durch Quarantäneanordnungen in der Schülerschaft beziehungsweise unter den Lehrenden kommen.
Schulschließungen, die die Politik bislang ausschließt, seien durchaus möglich. Eine große Chance für möglichst viel Präsenzunterricht sieht die GEW-Chefin Finnern allerdings in regelmäßigem Testen und Masken. „Was jetzt nicht aufkommen darf, ist eine Debatte über die Maskenpflicht an Schulen“, mahnte sie. „Die Maske muss die ganze Zeit zu tragen sein.“
Unabhängig von Masken und Tests forderte Finnern außerdem, dass die für diesen Mittwoch geplante Konferenz der Kultusminister vergleichbare Leitlinien entwickeln solle, nach denen an Schulen in Corona-Notsituationen entschieden werden kann. „Je nach Fallkonstellation entscheiden Gesundheitsämter noch immer von Land zu Land unterschiedlich“, sagte Finnern. „Das lässt mich den Kopf schütteln.“
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sagte dem Portal Watson, er halte es für „einen verhängnisvollen Fehler“, wenn die Kultusministerkonferenz und die Schulministerien keinen Notfallplan bereithielten, der festschreibe, wie im Bedarfsfall reagiert werden müsse. „Erst zu überlegen, was zu tun ist, wenn die Omikron-Welle in die Schulen schwappt, ist zu spät.“ Meidinger sprach sich zudem dafür aus, dass Schulen individuell entscheiden dürfen, in welcher Form der Unterricht stattfindet.
Die Kultusminister der Länder wollen in einer Sondersitzung am Mittwoch die Lage an den Schulen erörtern. Am Freitag beraten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über neue Corona-Maßnahmen.