Sergio Mattarella: Italiens Held wider Willen

Sergio Mattarella - Bild: Crozet / Pouteau
Sergio Mattarella - Bild: Crozet / Pouteau

Nachdem sich Italiens Wahlmänner und -Frauen in sieben Wahlgängen nicht auf einen neuen Präsidenten einigen konnten, vermochte Sergio Mattarella es schließlich nicht mehr mit ansehen. „Ich hatte andere Pläne, aber wenn es nötig ist, stehe ich zur Verfügung“, sagte der 80-Jährige den Fraktionschefs im Parlament von Rom. Er erklärte sich also zu einer zweiten Amtszeit bereit, statt in wenigen Tagen in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen.

Prompt wurde der Sizilianer dann am Samstagabend mit großer Mehrheit wiedergewählt. Im Parlament brandete lauter Applaus auf – das drohende politische Chaos ist vorerst abgewendet.

Bereits in seiner ersten Amtszeit erlebte Mattarella fünf verschiedene Regierungen und die harten Folgen der Corona-Krise. Der bis dahin weitgehend unbekannte bisherige Verfassungsrichter wirkte in dieser Zeit als einigende Figur und erwarb sich über das gesamte politische Spektrum hinweg Respekt und Zuneigung.

Seine zweite Amtszeit dürfte eine weitere große Herausforderung werden. Denn Mattarella wird all seine diplomatischen Fähigkeiten aufbringen müssen, um nach dem tagelangen Gezerre um die Präsidentenwahl wieder politische Ruhe einkehren zu lassen. Beobachter befürchten, die von Ministerpräsident Mario Draghi geführte Regierung der nationalen Einheit könnte sich vor der Parlamentswahl im kommenden Jahr zunehmend in internen Kämpfen zerfleischen.

Zu Beginn seiner ersten Amtszeit sei Mattarella „ein bisschen widerstrebend in den Quirinalspalast eingezogen – nicht besonders gut vorbereitet und ohne große Lust, Präsident zu sein“, sagt der Philosophieprofessor Giacomo Marramao von der Universität Roma Tre. „Aber dann ist er auf die bestmögliche Weise in seine Rolle hineingewachsen und zum Hüter der Verfassung geworden.“

Zu Beginn seiner Laufbahn lehrte der am 23. Juli 1941 geborene Sohn einer einflussreichen Familie sizilianischer Christdemokraten Rechtswissenschaften an der Universität von Palermo. Bis heute wirkt der Staatspräsident mit seiner ruhigen Art, als sei er eher für akademische Debatten als für politische Auseinandersetzungen gemacht. Vielleicht wäre der Rechtsgelehrte tatsächlich an der Hochschule geblieben, hätte die berüchtigte sizilianische Mafiaorganisation Cosa Nostra nicht seinen älteren Bruder Piersanti Mattarella ermordet.

Dieser hatte sich als Regionalpräsident Siziliens darum bemüht, die unzähligen Verbindungen zwischen seiner Mitte-Rechts-Partei und der Schattenwelt des organisierten Verbrechens zu zerschlagen. Auf dem Weg zum Dreikönigs-Gottesdienst wurde er am 6. Januar 1980 erschossen. Sergio Mattarella war einer der ersten am Tatort und hielt auf dem Weg ins Krankenhaus seinen sterbenden Bruder in den Armen.

Den Rest des Tages über strömten Menschen zu Beileidsbesuchen in das Haus der Familie. Sergio Mattarella empfing sie im vom Blut seines Bruders befleckten Hemd. Es war sein erster Auftritt in der Öffentlichkeit. Drei Jahre später wurde er Parlamentsabgeordneter. Mehrfach hatte er in den folgenden Jahren Ministerämter in von den Christdemokraten geführten Regierungen inne.

1990 trat Mattarella aus Protest gegen ein neues Mediengesetz zurück, das nach Ansicht von Kritikern maßgeschneidert war für die Interessen des Medienunternehmers und späteren Regierungschefs Silvio Berlusconi. 2008 zog Mattarella sich schließlich aus der Politik zurück und wurde ein anerkannter Verfassungsrichter.

2015 schlug der damalige Regierungschef Matteo Renzi dann Mattarella für das Amt des Staatspräsidenten vor und präsentierte ihn dabei als „Mann des Gesetzes, als Mann des Kampfes gegen die Mafia“.

Von Natur aus ist Mattarella zurückhaltend. Doch trotz seiner ruhigen Art habe der Präsident „sehr starke Prinzipien“, beschreibt ihn die Journalistin Lina Palmerini. Im Kampf gegen das Coronavirus sprach sich der Staatschef immer wieder klar für das Impfen aus.

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