Gegen den dauerhaften Gaststatus des unternehmernahen Wirtschaftsrats im CDU-Parteivorstand gibt es rechtliche Bedenken. Die Organisation LobbyControl stellte am Mittwoch ein Rechtsgutachten vor, wonach der Sonderstatus des Lobbyverbandes rechts- und satzungswidrig sei. Verwiesen wird auf Vorgaben der Verfassung und des Parteiengesetzes sowie auf das CDU-Parteistatut.
Anders als es der Name „Wirtschaftsrat der CDU“ vermuten lasse, sei das Gremium keine Parteigliederung, argumentieren die Hamburger Rechtsanwälte Roda Verheyen und André Horenburg. Gleichwohl verfügten dessen Mitglieder im Parteivorstand über ein ständiges Gastrecht, zwar ohne Stimm-, aber mit Rederecht. Ein Unterschied zu weiteren beratenden Mitgliedern des Vorstand, die dort Parteiorganisationen vertreten, sei somit nicht erkennbar.
Laut Parteiengesetz seien aber Mitglieder des Vorstands im Grundsatz vom Parteitag zu wählen. Daneben seien zwar weitere Mitgliedschaften qua Satzung zulässig, jedoch nur, wenn sie „ihr Amt oder Mandat aus einer Wahl erhalten haben“ und „das jeweilige Amt oder Mandat in der Satzung bezeichnet wird“.
Zudem schreibe das Grundgesetz vor: „Die innere Ordnung von Parteien muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.“ Dem Gutachten zufolge ist es unzulässig, dass ein Parteivorstand allein durch eigenen Beschluss und ohne satzungsmäßige Grundlage weitere Mitglieder aufnimmt, unabhängig davon, ob diese nur beratend teilnehmen.
Möglich sei lediglich, in konkreten Fällen zu bestimmten Sachfragen sachkundige Gäste einzuladen. Auch hier müsse aber das Informationsinteresse des Vorstands im Vordergrund stehen. Die Einladung „darf nicht dem Interesse der Gäste dienen, Einfluss auf die Entscheidungen des Vorstands zu nehmen oder sich über den Meinungs- und Diskussionsstand im CDU-Bundesvorstand zu informieren“. Ansonsten liege eine „unzulässige Einflussnahme“ auf die Meinungsbildung des Vorstands vor.
„Damit ist der CDU-Parteivorstand rechts- und satzungswidrig zusammengesetzt“, erklärte LobbyControl. „Schon aus politischen Erwägungen verbietet es sich, einem Lobbyverband dauerhaft privilegierte Zugänge zu zentralen Parteigremien zu gewähren“, betonte die Sprecherin der Anti-Korruptions-Organisation, Christina Deckwirth. Das Rechtsgutachten stelle nun klar, „dass diese Praxis auch rechtlich nicht zulässig ist“.
„Die Verwicklungen zahlreicher CDU-Politiker in die Maskendeals im letzten Frühjahr haben gezeigt, dass die Partei ein Lobbyismus-Problem in ihren eigenen Reihen hat“, erklärte Deckwirth weiter. Daraus habe die CDU damals Konsequenzen gezogen, dies müsse sie auch jetzt tun, indem sie „alte Verflechtungen kappt und klar zwischen Lobby- und Parteianliegen trennt“.
Die Angelegenheit ist auch deswegen brisant, weil der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz selbst an führender Stelle im CDU-Wirtschaftsrat aktiv war. Von Mitte 2019 bis November 2021 war er einer der Vizepräsidenten des Gremiums. Damit stehe Merz nun „in einer besonderen Verantwortung, eine klare Trennung zwischen Lobbyinteressen und Partei herzustellen“, betonte LobbyControl.
Der CDU-Wirtschaftsrat sieht sich selbst als „unternehmerischer Berufsverband“. Er will seinen Mitgliedern „eine Plattform zur Mitgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik“ bieten, wie es auf seiner Homepage heißt.