Der Oberste Gerichtshof der USA hat sich in einer wichtigen Anhörung mit den Corona-Impfvorgaben der Regierung für Millionen Beschäftigte befasst. Der Supreme Court in Washington prüfte am Freitag in einer Sonderanhörung unter anderem eine Impf- oder Testpflicht für Mitarbeiter von Unternehmen mit mehr als hundert Angestellten. Die Richter der konservativen Gerichtsmehrheit zeigten sich dabei skeptisch, dass Bundesbehörden die erforderlichen Befugnisse für solche Anordnungen haben.
Die Richter des linksliberalen Lagers machten dagegen deutlich, dass sie die Maßnahmen angesichts des verheerenden Ausmaßes der Pandemie für angemessen halten. „In dieser Pandemie sind fast eine Million Menschen gestorben“, sagte Verfassungsrichterin Elena Kagan mit Blick auf die Opferzahl in den USA. „Es ist die mit Abstand größte gesundheitliche Bedrohung, mit denen es dieses Land in einem Jahrhundert zu tun hatte.“ Die Impfvorgaben hätten das Ziel, diese Krise zu „stoppen“.
Die Regierung von Präsident Joe Biden will mit der Impf- oder Testpflicht die Zahl der Impfungen im Land erhöhen und argumentiert, dies diene dem Schutz der Arbeitnehmer. Bidens Sprecherin Jen Psaki erklärte vor der Gerichtsanhörung, die Impfvorgaben seien zentrale Elemente im Kampf gegen die Corona-Pandemie. „Ungeimpfte Amerikaner haben immer noch eine reale Gefahr, schwer zu erkranken oder zu sterben – einschließlich durch Omikron.“
Konservative Bundesstaaten und Unternehmensverbände sind aber vor Gericht gezogen. Sie argumentieren, die Bundesbehörden würden ihre Befugnisse überschreiten. Außerdem könnten die neuen Regeln Unternehmen schaden, etwa wegen der Kosten für Corona-Tests oder weil Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, kündigen könnten.
Die Impf- oder Testvorgaben für große Unternehmen betreffen nach Angaben der Regierung rund 84 Millionen Angestellte. Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter vollständig geimpft sind oder sich ein Mal pro Woche testen lassen. Ansonsten drohen Geldstrafen. Die Regierung hatte Anfang November erklärt, dies werde mehr als 250.000 Krankenhauseinweisungen und tausende Todesfälle verhindern.
Der Supreme Court befasste sich am Freitag auch mit Klagen gegen eine Impfpflicht für Mitarbeiter von zehntausenden Pflegeheimen und Krankenhäusern. Mitarbeiter solcher Einrichtungen, die über die staatlichen Krankenkassen Medicare und Medicaid versicherte Patienten behandeln, müssen sich vollständig impfen lassen. Hier gibt es nicht die Möglichkeit, sich ersatzweise regelmäßig testen zu lassen. Die Maßnahme betrifft nach Angaben der Biden-Regierung rund 17 Millionen Mitarbeiter des Gesundheitssektors in landesweit rund 76.000 Einrichtungen.
Die Entscheidung des Supreme Court könnte bald fallen. Sollten die Impfvorgaben für verfassungswidrig erklärt werden, wäre dies eine herbe Niederlage für Präsident Biden.
In den USA sind bislang mehr als 830.000 Menschen an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Das ist die höchste weltweit registrierte Zahl. Trotzdem sind in dem Land lediglich 62,4 Prozent der Gesamtbevölkerung gegen das Coronavirus geimpft. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 71,6 Prozent.