Zum Auftakt der französischen EU-Ratspräsidentschaft haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein Ende der Ausschreitungen in Kasachstan angemahnt. „Ich rufe zum Ende der Gewalt und zur Zurückhaltung auf“, sagte von der Leyen am Freitag in Paris. Sie war mit den EU-Kommissaren in Paris, um die großen Themen des französischen EU-Ratsvorsitzes zu besprechen.
Die Lage in Kasachstan verfolge sie mit Sorge, sagte von der Leyen. „Die Europäische Union ist bereit zu helfen, wo sie kann“, sagte sie. Die Rechte und die Sicherheit der Einwohner seien zu schützen. Macron mahnte ebenfalls zur „Deeskalation“ in Kasachstan, wo Präsident Kassym-Schomart Tokajew angesichts anhaltender Proteste den Sicherheitskräften am Freitag einen Schießbefehl erteilt hatte. Die zentralasiatische Republik wird seit Tagen von regierungskritischen Massenprotesten erschüttert.
Von der Leyen und Macron betonten zudem die Rolle der EU in der Krisenregion Ukraine. „Es gibt keine Lösung des Konflikts ohne die EU“, sagte von der Leyen. Sie verwies darauf, dass die EU die Ukraine mit sechs Milliarden Euro unterstütze und Sanktionen gegen Russland verhängt habe.
Macron betonte, dass er gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für die Wiederaufnahme der Verhandlungen im Normandie-Format eintrete, das Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine umfasst. Sie hätten ein Treffen „in den nächsten Wochen“ vorgeschlagen. Russland hat dieses Verhandlungsformat zuletzt vermieden und zieht die direkten Gespräche mit den USA vor.
Macron rechtfertigte außerdem den Dialog mit Russland. „Die EU muss weiter mit Russland im Gespräch bleiben. Das bedeutet nicht, Zugeständnisse zu machen“, sagte Macron, der in den vergangenen Wochen zwei Mal mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert hatte. Er werde auch weiter mit ihm in Kontakt bleiben.
Der französische Präsident stellte zudem die wichtigsten Vorhaben der EU-Ratspräsidentschaft vor. Bei einem informellen EU-Gipfel am 10. und 11. März soll es unter anderem um die gemeinsame Verteidigung und neue Haushaltsregeln gehen. „Wir sind uns einig, dass wir eine echte Verteidigungs-Union brauchen, die uns auf künftige Bedrohungen vorbereitet“, sagte von der Leyen. Dazu zählten auch „hybride Angriffe“, eine Mischform aus militärischen und nicht-militärischen Methoden.
Macron betonte die Notwendigkeit eines „neuen Wachstums- und Autonomiemodells“ der EU, das große Investitionen vorsehe. Er wolle auf dem Gipfel im März eine strategische Diskussion über neue Haushaltsregeln führen. Die französische Ratspräsidentschaft solle „ein nützlicher Moment für Europa“ werden, betonte Macron.
Zu den großen Vorhaben zählten außerdem eine CO2-Grenzsteuer, neue Regeln für Internet-Konzerne und die Reform des Schengen-Raums. „Wir wollen die offenen Grenzen im Inneren wiederherstellen (…) und die Außengrenzen verstärken“, betonte von der Leyen.
Frankreich hat etwa 400 Veranstaltungen während der EU-Ratspräsidentschaft geplant. Etwa 250 Texte werden derzeit verhandelt. In der kommenden Woche kommen die EU-Verteidigungsminister in Brest zusammen. Es ist das erste von etwa 20 geplanten Ministertreffen in verschiedenen Regionen Frankreichs.
Der Ratsvorsitz fällt mit dem Wahlkampf für die französische Präsidentschaftswahl im April zusammen. Macron hat deutlich gemacht, dass er wiedergewählt werden möchte, seine Kandidatur aber noch nicht offiziell erklärt.
Die EU-Kommissare hatten am Vormittag im Pariser Pantheon der französischen Europapolitiker Jean Monnot und Simone Veil gedacht.