Auf Augenhöhe mit den Bürgern: Steinmeier vor weiterer Amtszeit

Frank-Walter Steinmeier - Bild: Bundesregierung/Steffen Kugler
Frank-Walter Steinmeier - Bild: Bundesregierung/Steffen Kugler

Im Umgang mit schwierigen Gesprächspartnern hat Frank-Walter Steinmeier Erfahrung. Zwei Mal war er Bundesaußenminister, er verhandelte mit knallharten Kreml-Vertretern ebenso wie mit schroffen Trump-Gesandten. Das stählt. Aber an einer Gegnerin wie Gudrun Gassert kann sich auch ein Profi wie Steinmeier die Zähne ausbeißen. Die impf-kritische Lehrerin aus dem schwäbischen Dorf Kirchentellinsfurt gab dem Bundespräsidenten beherzt Paroli, als er kürzlich mit Bürgerinnen und Bürgern über die Impfpflicht debattierte. „Da muss ich Ihnen leider widersprechen, Herr Bundespräsident“, bekam Steinmeier immer wieder von ihr zu hören.

Nicht jeder fand die Veranstaltung gelungen, zu der Steinmeier auch Impfskeptiker zum öffentlichen Diskutieren geladen hatte. In einer Hinsicht war sie aber geradezu typisch für seine erste Amtszeit: Der Bundespräsident geht den Bürgerinnen und Bürgern nicht aus dem Weg. Steinmeier sucht das Gespräch mit den Menschen, er lädt sie ein zu Diskussionsrunden, begegnet ihnen auf Augenhöhe – und riskiert dabei auch mal offenen Widerspruch wie im Fall von Gudrun Gassert.

Am Sonntag wird die Bundesversammlung in Berlin den nächsten Bundespräsidenten wählen, an Steinmeier Wiederwahl bestehen keine Zweifel. Der Präsident ist beliebt, und er hat erkennbar Freude an seinem Amt. Der frühere Außenminister, SPD-Fraktionschef und Kanzlerkandidat wäre der erste sozialdemokratische Bundespräsident überhaupt, der für eine zweite Amtszeit gewählt würde. Das letzte Staatsoberhaupt, das zwei Amtszeiten vollendete, war Richard von Weizsäcker (1984 bis 1994).

Wie begründet der 66-jährige Bundespräsident seinen Wunsch nach einer zweiten Amtszeit? „Ich würde gerade mit Blick auf eine hoffentlich zu Ende gehende Pandemie die Brücke in eine Zukunft nach der Pandemie mit schlagen helfen“, sagte Steinmeier.

Damit würde er an jenes Thema anknüpfen, das seine erste Amtszeit geprägt hat wie kein anderes: die Pandemie – und die Anfechtungen für die Demokratie, die in den gereizten Debatten um die Corona-Politik der letzten zwei Jahre schmerzhaft sichtbar geworden sind.

„Es gibt Menschen, die sagen: Wir haben in Deutschland eine ‚Corona-Diktatur'“, sagte der Bundespräsident in seiner Vorrede zur Debatte mit den Impfskeptikern – und wies solche Behauptungen zurück: „Das ist bösartiger Unfug!“

Die Wiederwahl Steinmeiers steht am Ende eines Manövers, das vor ihm noch kein amtierender Bundespräsident gewagt hatte: Bereits im vergangenen Mai hatte er erklärt, sich zur Wiederwahl stellen zu wollen – obwohl damals unklar war, ob er mit einer Mehrheit in der Bundesversammlung rechnen kann. Frühere Bundespräsidenten hatten sich erst dann zu einer zweiten Kandidatur entschlossen, wenn die Mehrheit gesichert war.

Steinmeier Kalkül ging auf. Der unerwartete Sieg der SPD bei der Bundestagswahl sicherte ihm eine weitere Amtszeit – selbst die Grünen, die gerne erstmals eine Frau im Präsidentenamt gesehen hätten, unterstützen seine Wiederwahl.

Geboren wurde Steinmeier am 5. Januar 1956 als Sohn eines Tischlers und einer Fabrikarbeiterin in Detmold. Er wuchs auf in einem Haushalt „ohne Klavier und Bibliothek“, wie er einmal sagte. Als erster in seiner Familie studierte er. Seinen Weg in die Politik fand Steinmeier als Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD).

Dass dieser Weg ihn ins höchste Staatsamt führte, hat ihn selbst überrascht: „Ich habe viel Glück gehabt“: So bilanzierte Steinmeier einmal seinen Lebensweg.

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