Boliviens ehemalige Übergangspräsidentin Jeanine Áñez hat am Donnerstag wegen der gesundheitlichen Auswirkungen ihres Hungerstreiks eine Gerichtsanhörung abgebrochen. „Sie kann nicht einmal aufstehen: Wenn sie es tut, fällt sie in Ohnmacht“, sagte ihre Anwältin Norka Cuéllar. Die 54-jährige Áñez wurde unterdessen im Gefängnis von La Paz behandelt, wo sie seit März vergangenen Jahres festgehalten wird. Sie befindet sich mittlerweile seit neun Tagen im Hungerstreik.
Die Online-Anhörung wurde wegen ihres Gesundheitszustands auf den 21. Februar verlegt. Ein Arzt hatte vor der Anhörung berichtete, dass der Zustand von Áñez „heikel“ sei, sie aber „nicht ins Krankenhaus eingeliefert werden muss“.
Áñez war kurz vor Beginn ihres Prozesses wegen eines angeblichen Staatsstreichs gegen Ex-Präsident Evo Morales in Hungerstreik getreten. Die frühere Vize-Senatspräsidentin hatte das höchste Staatsamt im November 2019 übergangsweise übernommen, nachdem Morales angesichts von Massenprotesten und unter dem Druck der Armee abgetreten und ausgereist war.
Morales hatte Bolivien als erster indigener Präsident Lateinamerikas mehr als 13 Jahre lang regiert. Die Massenproteste gegen ihn waren nach seiner von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wiederwahl ausgebrochen. Nach dem Wahlsieg seines Parteikollegen Luis Arce bei der Präsidentschaftswahl kehrte Morales im November 2020 nach Bolivien zurück.
Die USA zeigten sich damals „besorgt“ wegen der Festnahme von Áñez. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) bezweifelte, dass die bolivianische Justiz „die minimalen Garantien für einen fairen Prozess liefern“ könne. Vergangenes Jahr war Áñez auch für den Sacharow-Preis des EU-Parlaments für Menschenrechte und Demokratie nominiert.