Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen nach den Worten von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schnell und unbürokratisch in den EU-Staaten aufgenommen werden. Beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag solle eine Regelung beschlossen werden, wonach in allen Mitgliedstaaten das gleiche Verfahren gelte, erklärte Faeser nach einem Sondertreffen der Minister am Sonntag. Flüchtlinge aus der Ukraine müssen demnach kein Asylverfahren durchlaufen und erhalten vorübergehenden Schutz in der EU für bis zu drei Jahre.
„Alle EU-Staaten sind zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine bereit“, erklärte Faeser. Europa sei angesichts der Bedrohung durch Russland „heute enger zusammengerückt“, fügte sie hinzu. „Wir stehen gemeinsam solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine.“
Auch der französische Innenminister Gérald Darmanin, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sprach von einer „sehr großen Mehrheit“ für die Aktivierung einer EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz von Vertriebenen. Diese sieht im Fall eines Massenzustroms an Flüchtlingen die Verteilung der Lasten auf die EU-Länder vor. Außerdem bekommen die Vertriebenen in allen EU-Staaten für drei Jahre das Recht zu arbeiten. Aufgrund eines bestehenden Abkommens können Ukrainer derzeit 90 Tage ohne Visum in der EU bleiben.
Nach UN-Angaben flohen bis Sonntag bereits rund 370.000 Menschen vor dem Krieg aus der Ukraine in Nachbarländer. EU-Katastrophenschutzkommissar Janez Lenarcic sagte, Schätzungen zufolge könnten mehr als sieben Millionen Ukrainer in die Flucht getrieben werden, wenn die russische Offensive fortgesetzt werde. Sollte der Krieg länger andauern, könnten rund 18 Millionen Ukrainer auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Es entwickele sich „die größte humanitäre Krise auf dem europäischen Kontinent in vielen, vielen Jahren“. Es handele sich um eine „Notlage historischen Ausmaßes“.
Bisher sind laut der Europäischen Kommission 300.000 Ukrainer in der EU angekommen, die Hälfte davon laut Warschau in Polen. Daneben waren auch andere Länder mit größeren ukrainischen Minderheiten wie Italien, Portugal, Spanien, Deutschland und Tschechien Ziel der Fliehenden. Innenkommissarin Ylva Johansson erklärte, dass die meisten Ukrainer bei Verwandten untergekommen seien und nur eine „begrenzte Anzahl“ einen Asylantrag gestellt habe.
Johannson zufolge hatte sich während des Treffens am Sonntag die große Mehrheit der Minister positiv zu diesem Thema geäußert. Einige hätten jedoch die Frage gestellt, ob mit der Aktivierung der Richtlinie nicht noch gewartet werden sollte. Johansson bereitet einen Vorschlag vor, der beim nächsten Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag vorgelegt werden soll. Darmanin zufolge sollen bis dahin die Länder einzeln angesprochen werden, die „Vorbehalte“ geäußert hatten.
Russland hatte am Donnerstag die Ukraine von drei Seiten angegriffen. Die EU hatte daraufhin schrittweise Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen engsten Zirkel sowie weite Teile der russischen Wirtschaft eingeführt. Zuletzt wurde der europäische Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt und russische Banken vom internationalen Swift-Zahlungssystem ausgeschlossen. Außerdem versprach die EU Waffenlieferungen in Höhe von 450 Millionen Euro sowie Schutzausrüstung und Treibstoff für 50 Millionen Euro an die Ukraine.
Russland hatte als Reaktion darauf mehrere europäischen Airlines gesperrt und die Alarmbereitschaft seiner Atomstreitkräfte erhöht.