Falsch: US-Außenminister Blinken zeigte im UN-Sicherheitsrat kein Foto aus der Ukraine

US-Außenminister Antony Blinken bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 17. Februar 2022 ( AFP / TIMOTHY A. CLARY)
US-Außenminister Antony Blinken bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 17. Februar 2022 ( AFP / TIMOTHY A. CLARY)

Hunderte Facebook-User haben Mitte Februar einen Beitrag geteilt, der angeblich den US-amerikanischen Außenminister Antony Blinken im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeigt. Blinken soll bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates zum Ukraine-Konflikt ein Foto gezeigt haben, das einen angeblichen Angriff prorussischer Separatisten auf einen Kindergarten beweise. Das Bild ist manipuliert. Videoaufnahmen zeigen, dass es die Szene nie gegeben hat.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben Mitte Februar ein Bild geteilt (hierhier), das angeblich den US-amerikanischen Außenminister bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates zeigt. Auch auf Telegram sahen Tausende User den Beitrag.

Die Behauptung

 Der Beitrag zeigt zwei übereinanderstehende Bilder, von denen das obere den damaligen US-Außenminister Colin Powell und das untere den aktuellen Außenminister Antony Blinken im UN-Sicherheitsrat zeigt. Im Beitragstext heißt es: „Foto-2: Am 17.Februar 2022 präsentierte der heutige US-Außenminister Antony Blinken vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angebliche Beweise dafür, dass die Donbass-Volksrepibliken Donezk und Lugansk die Schuld dafür tragen einen Kindergarten nahe Lugansk mit Artillerie beschossen zu haben, um so (…) zu rechtfertigen.“

Facebook-Screenshot der Behauptung: 22.02.2022

Sitzung des Sicherheitsrates zum Ukraine-Konflikt

Am 17. Februar 2022 kam der UN-Sicherheitsrat auf Bitten der Ukraine zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Thema war der sich zuspitzende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine. Russland hat in den vergangenen Wochen große Truppenkontingente hinter der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Am 21. Februar verkündete der russische Präsident Wladimir Putin die Anerkennung der selbst ernannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk in der Ostukraine.

Am 22. Februar stellte Putin klar, dass sich die Anerkennung der Unabhängigkeit auf die gesamten Bezirke Luhansk und Donezk beziehe – und somit auch auf weiterhin von Kiew kontrolliertes ukrainisches Staatsgebiet. Kurz darauf verkündete das russische Außenministerium die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den „Volksrepubliken“. Das Oberhaus des russischen Parlaments billigte unterdessen Putins Antrag auf eine Truppenentsendung in die Separatistengebiete. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar griff das russische Militär Ziele in der Ukraine an.

Im Sicherheitsrat präsentierte der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken am 17. Februar Informationen über ein mögliches aggressives Vorgehen Russlands gegenüber der Ukraine. Blinken rief Russland dazu auf, sich an die Vereinbarungen des Minsker Abkommens zu halten. Ein Videomitschnitt seines Auftritts findet sich auf der Website der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen. Dabei fällt bereits auf, dass Blinken andere Kleidung trägt als im aktuell geteilten Bild, dazu gleich mehr.

Der Facebook-Post vergleicht Blinkens Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat mit dem Auftritt des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell vor den Vereinten Nationen am 5. Februar 2003. Powell präsentierte damals im Vorfeld des Irakkrieges angebliche Beweise für die Produktion von Massenvernichtungswaffen im Irak und begründete damit die Notwendigkeit einer militärischen Intervention. Wie sich später herausstellte, existierten die angeblichen irakischen Massenvernichtungswaffen nicht.

Manipuliertes Bild

Im aktuell geteilten Bild ist Blinken zu sehen, der in seiner rechten Hand ein Foto hält, das ein weißes Gebäude zeigt, in dessen Außenwand ein Loch klafft. Bei dem abgebildeten Gebäude handelt es sich um einen Kindergarten in der Nähe von Luhansk, der am 17. Februar angegriffen worden sein soll. Die Ukraine und prorussische Separatisten weisen sich gegenseitig die Verantwortung für die Attacke zu. Hinter Blinken sitzt ein Mann im dunkelblauen Anzug mit Nadelstreifenmuster, über dessen Revers ein weißes Kabel läuft, vermutlich von Kopfhörern zur Simultanübersetzung.

In dem geteilten Bild fallen mehrere Dinge auf: Das Foto in seinen Händen ist unnatürlich rechteckig. Die fehlende perspektivische Verzerrung und Lichtspiegelung deuten darauf hin, dass das Kindergarten-Foto nachträglich eingefügt wurde. Außerdem scheint Blinkens rechtes Ohr verdoppelt zu sein.

Im Video von Blinkens aktueller Rede am 17. Februar kommt die Szene aus dem Facebook-Post nicht vor. Blinken präsentiert in seinem rund 11-minütigen Beitrag kein Foto und hält auch keine anderen Beweise in Händen. Den Kindergarten sprach er ebenfalls nicht an. Zudem widerspricht seine Kleidung der Darstellung des Postings. Auf dem manipulierten Bild aus dem Facebook-Post trägt Blinken einen dunkelblauen Anzug und eine dunkelrote Krawatte. An seinem Revers steckt ein Anstecker in Form einer leicht wehenden US-Flagge. Bei seiner aktuellen Rede im UN-Sicherheitsrat trug er andere Kleidung, wie ein AFP-Foto zeigt:

US-Außenminister Antony Blinken bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 17. Februar 2022 ( AFP / TIMOTHY A. CLARY)

In der Videoaufzeichnung vom 17. Februar und zahlreichen weiteren Bildern, die an diesem Tag entstanden sind, trägt Blinken einen schwarzen Anzug und eine dunkelblaue Krawatte. Die Anstecknadel an seinem Revers zeigt eine US-Flagge mit geraden Rändern, nicht gewellten, wie sie im Bild aus dem Post zu sehen ist.

Auch andere Details aus dem geteilten Bild fehlen in der aktuellen Sitzung zum Ukraine-Konflikt. Der Mann mit dem weißen Kabel auf dem Anzug, der im Posting-Bild hinter Blinken sitzt, ist im Video nicht zu sehen. Links hinter ihm sitzt eine Frau in einem rosafarbenen Blazer. Der Platz daneben, wo sich aus Perspektive des manipulierten Fotos der Mann im Nadelstreifenanzug befinden müsste, ist hingegen unbesetzt.

Gegenüberstellung des Bildes und des manipulierten Bildes (Collage: AFP)

Eine Bildersuche mit dem angeblichen Foto von Antony Blinken führt zu einem Bild von Colin Powell in der Sitzung des UN-Sicherheitsrates im Februar 2003. Powell hält darauf ein kleines Gefäß in der Hand, das er damals als Beweis für die Produktion angeblicher irakischer Massenvernichtungswaffen zeigte.

Auf beiden Bildern – dem angeblich aktuellen, manipulierten Foto von Blinken und dem Foto von Powell – ist im Hintergrund derselbe Mann im dunkelblauen Nadelstreifenanzug zu sehen, über den das weiße Kabel hängt. Die Position der Hand, die das Foto, beziehungsweise das Gefäß hält, ist dieselbe. Auch der Faltenwurf des Sakkos im Schulterbereich ist auf beiden Bildern identisch.

Fazit

Das angebliche Foto von Antony Blinken im UN-Sicherheitsrat ist manipuliert. Sowohl die Kleidung des US-Außenministers, als auch der Hintergrund unterscheiden sich von Aufnahmen, die bei der Sitzung am 17. Februar entstanden sind. Tatsächlich wurde Blinkens Gesicht und das Foto in seiner Hand nachträglich in ein Foto des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell von 2003 eingefügt.

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