Der Chef des internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, Dan Smith, warnt angesichts der jüngsten Entwicklung in der Ukraine-Krise vor einer Aufrüstungsspirale. Smith sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Donnerstagsausgaben): „Verteidigungsbereitschaft hängt nicht nur an einer unbegrenzten Aufrüstung. Die Nato gibt schon heute sehr, sehr viel mehr Geld für Waffen und Ausrüstung aus als Russland. Dennoch sind wir in die gefährliche Lage gekommen, in der wir uns heute befinden.“
Nach Ansicht des Sipri-Chefs liegen „die Unsicherheiten für die europäische Sicherheitsarchitektur nun für jedermann sichtbar auf dem Tisch. Das sollte uns darin bestärken, mehr für eine solidere Sicherheitsarchitektur zu tun“. Smith betonte: „Diplomatie ist immer noch die beste Verteidigung, das sollte man nicht aus dem Blick verlieren und alles daransetzen, um diesen Weg zu stärken“.
„Eine russische Okkupation der Ukraine würde unweigerlich zu einer langen Phase gewalttätiger Auseinandersetzungen führen“, sagte Smith weiter. Zwar könne Russland einen Krieg gegen die Ukraine gewinnen, „aber ein besetztes Land wohl kaum nachhaltig befrieden, dessen Bevölkerung mehrheitlich nicht besetzt sein will“. Einen dritten Weltkrieg, wie ihn manche Menschen fürchteten, halte er jedoch für ein wenig wahrscheinliches Szenario, erklärte der Sipri-Chef.
Zu den gegen Russland verhängten Strafmaßnahmen des Westens sagte Smith: „Sanktionen dienen einer längerfristigen Bestrafung und können in der Regel nicht etwas stoppen, was bereits im Gange ist. Langfristig können sie natürlich eine Wirkung entfalten. Sie können aber nicht den steinigen Weg der Diplomatie ersetzen.“ Um aus der aktuell verfahrenen Lage herauszukommen, gebe es „keine Alternative zu harter diplomatischer Arbeit“.
Eine militärische Eskalation zwischen Russland und der Ukraine erscheint immer wahrscheinlicher. Der Kreml hatte am Mittwoch erklärt, die Separatisten in der Ostukraine hätten Russland um „Hilfe“ bei „der Zurückschlagung der Aggression“ der ukrainischen Armee gebeten. Russland hatte in dieser Woche Freundschaftsverträge mit den selbsterklärten Volksrepubliken der pro-russischen Separatisten in der Ostukraine geschlossen. Diese sehen auch Beistandsgarantien im Falle von Angriffen vor.
Das Parlament in Kiew hatte daraufhin einen landesweiten Ausnahmezustand beschlossen. Das ukrainische Militär ordnete die Mobilisierung von Reservisten an.
Indessen traten am Mittwochabend mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt die europäischen Sanktionen gegen Moskau und die Separatisten in Kraft. Sie sehen unter anderem Einreiseverbote und das Einfrieren von Bankkonten von 23 „hochrangigen Persönlichkeiten“ wie dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu, dem Kreml-Stabschef Anton Waino und der Chefin des staatlichen Fernsehsenders Russia Today, Margarita Simonjan vor. Außerdem wurden drei Banken mit Sanktionen belegt und der Zugang des russischen Staats zu den europäischen Finanzmärkten beschränkt. Auch die USA und Großbritannien haben Sanktionen gegen Moskau erlassen.