Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hält die Gefahr eines zusätzlichen Preisschubs durch die Energiewende für gering. „Die ganze Debatte über Greenflation halte ich für übertrieben“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitagsausgaben). „Die aktuellen Auswirkungen der Dekarbonisierung auf die Preise sind minimal, und zwar egal, ob wir über Emissionshandel oder Sondersteuern reden.“
Das gilt nach Lagardes Worten auch für die immer teurer werdenden Rohstoffe der Energiewende wie Silizium, Nickel oder Kupfer. „Die Auswirkung dieser speziellen Rohstoffpreise auf die allgemeine Preisentwicklung ist klein, jedenfalls zur Zeit“, sagte sie den RND-Zeitungen.
Bei den Energiepreisen erwartet Lagarde eine Stabilisierung auf hohem Niveau. Die hohen Kosten für Öl und Gas seien zwar kein vorübergehendes Phänomen, sagte sie. „Das Preisniveau ist aber jetzt schon sehr hoch. Der Ölpreis ist von unter 20 Euro im April 2020 auf 90 Euro pro Fass gestiegen, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass er in der gleichen Dynamik weitersteigt.“ Die Inflation werde sich allein schon deshalb verlangsamen.
Die EZB beobachte die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf die allgemeine Teuerung sehr genau, betonte Lagarde. „Wir werden uns das im März sehr genau ansehen und bei allen weiteren Treffen in den nächsten Monaten. Falls nötig, werden wir handeln. Aber das geht nur Schritt für Schritt.“
Wenn die EZB überstürzt handeln würde, „könnte die Erholung unserer Volkswirtschaften deutlich schlechter ausfallen und Arbeitsplätze wären gefährdet“, argumentierte Lagarde. „Damit wäre niemandem geholfen.“ Die EZB sei zwar noch nicht am Ziel, die Inflationsrate auch auf mittlere Sicht und dauerhaft bei ihrem Ziel von zwei Prozent zu stabilisieren. „Aber wir machen Fortschritte und kommen dem näher“, sagte Lagarde. „Das würde uns erlauben, einige unserer Interventionen zurücknehmen.“