Das milliardenschwere Entlastungspaket der Ampel-Koalition zur Abfederung der hohen Energiepreise stößt auf Kritik. Viele Maßnahmen blieben „halbherzig“, bemängelte am Donnerstag der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und mahnte Nachbesserungen des Pakets in Bundestag und Bundesrat an. Der Industrieverband BDI warnte, die Preissteigerungen von Strom und Gas nähmen den Unternehmen „aktuell die Luft zum Atmen“.
Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten sich am Mittwoch bei einem Koalitionsausschuss auf ein Maßnahmenbündel verständigt, das unter anderem eine Erhöhung der Pendlerpauschale, eine Abschaffung der EEG-Umlage auf den Strompreis zum 1. Juli und Sonderzahlungen für Bedürftige und von Armut betroffene Kinder vorsieht. So sollen erwachsene Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher eine Einmalzahlung von 100 Euro bekommen; für von Armut betroffene Kinder soll es ab Juli bis zur Einführung der von der „Ampel“ geplanten Kindergrundsicherung monatlich 20 Euro geben.
Der Teamleiter des vzbv für Energie und Bauen, Thomas Engelke, erklärte, die Unterstützung für Bedürftige gehe zwar in die richtige Richtung. Es sei aber „unklar“, ob die Abschaffung der EEG-Umlage Verbraucherinnen und Verbraucher unter dem Strich tatsächlich entlaste oder bei den Stromanbietern verbleibe. Zudem sei vom im Koalitionsvertrag versprochenen Klimageld, mit dem die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sozial ausgewogen an die privaten Haushalte rückerstattet werden könnten, keine Rede mehr, kritisierte er.
Vzbv-Mobilitätsexpertin Marion Jungbluth bezeichnete zudem die Anhebung der Pendlerpauschale als falschen Weg: „Denn von ihr profitieren vor allem Haushalte mit hohem Einkommen“, erklärte sie. „Sozial gerechter wäre die Einführung eines einkommensunabhängigen Mobilitätsgeldes.“ Gefragt seien nun Bundestag und Bundesrat, die das Paket „deutlich nachbessern“ müssten.
Für ein Mobilitätsgeld sprach sich auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland VCD aus. „Untere Einkommensgruppen, die von steigenden Energie- und Spritpreisen am härtesten betroffen sind, werden auch mit einer höheren Entfernungspauschale nicht entlastet, da sie kaum oder keine Steuern zahlen“, erklärte VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görner.
Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 könnte ein Haushalt mit einem Jahresstromverbrauch von 3500 Kilowattstunden durch die Absenkung der EEG-Umlage auf null Cent um gut 155 Euro entlastet werden. Die erste Senkung der EEG-Umlage zum Jahreswechsel von 6,5 auf derzeit gut 3,72 Cent komme aber „aufgrund der massiv gestiegenen Einkaufspreise derzeit nicht bei den Verbraucher*innen an“, fügte Check24-Energiegeschäftsführer Steffen Suttner hinzu.
Der BDI monierte unterdessen, das „Ampel“-Paket entlaste „die Industrie unzureichend und bleibt deutlich hinter dem Notwendigen zurück“. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage sei „in der akuten Lage für die Unternehmen zu wenig“, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. „Die Bundesregierung muss dringend die Netzentgelte reduzieren und die Strom- und Gassteuer auf den europäischen Mindestsatz absenken“, forderte er.
Der Chemieverband VCI bezeichnete die Entscheidung zur EEG-Umlage als „erfreulichen ersten Schritt“, dem aber weitere folgen müssten. „Die Abschaffung ist richtig und wichtig und ein Hoffnungsschimmer für unseren Mittelstand in brutal herausfordernden Zeiten“, teilte der Verband mit. Jedoch müsse die Stromsteuer „auf das EU-Mindestmaß gestutzt werden“.