Der zunehmend unter Druck stehende britische Premierminister Boris Johnson hat vier wichtige Mitarbeiter verloren. Die Regierung teilte am Donnerstagabend mit, sie habe die Kündigungen von Johnsons Büroleiter Martin Reynolds und Stabschef Dan Rosenfield angenommen. Zuvor hatten bereits Johnsons Kommunikationsdirektor Jack Doyle und die Leiterin der Politikabteilung in der Downing Street, Munira Mirza, angekündigt, ihre Posten zu räumen.
Büroleiter Reynolds und Kommunikationschef Doyle sind in die „Partygate“-Affäre um Feiern am Regierungssitz im Jahr 2020 verwickelt, die derzeit von der Polizei wegen möglicher Verstöße gegen die Corona-Regeln untersucht werden. Reynolds hatte im Mai 2020 etwa hundert Mitarbeiter auf einen „Umtrunk mit Abstand“ in den Garten des Amtssitzes eingeladen.
Doyle hatte an mindestens einer der umstrittenen Lockdown-Partys in der Downing Street teilgenommen. Einem Bericht der Zeitung „Daily Mail“ zufolge sagte Doyle, die vergangenen Wochen hätten sein „Familienleben schrecklich belastet“.
Der ebenfalls zurückgetretene Rosenfield hatte das Amt des Stabschefs erst vor rund einem Jahr übernommen. Johnson dankte Reynolds und Rosenfield laut einem Sprecher der Downing Street für ihren „wichtigen Beitrag“ zur Arbeit der Regierung. Sie bleiben demnach im Amt, bis ihre Nachfolge geregelt ist.
Die Leiterin der Politikabteilung, Mirza, nannte als Grund für ihre Kündigung Johnsons „infamen“ Angriff auf den Labour-Chef Keir Starmer Anfang der Woche. Johnson hatte dem Oppositionsführer am Montag im Parlament vorgeworfen, er habe es als Leiter der Staatsanwaltschaft von 2008 bis 2013 persönlich versäumt, den Sexualstraftäter Jimmy Savile strafrechtlich zu verfolgen.
Diese in rechtsextremen Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie gilt weithin als widerlegt. Starmer warf Johnson daraufhin vor, „die Verschwörungstheorien gewalttätiger Faschisten nachzuplappern, um politisch billig zu punkten“. Nach dem Tod des einstigen Star-Moderators Jimmy Savile 2011 war bekannt geworden, dass er über etwa 40 Jahre hinweg hunderte Kinder und Erwachsene missbrauchte, ohne dafür belangt zu werden.
Für seine Äußerungen war Johnson auch aus den eigenen Reihen heftig kritisiert worden und hatte am Mittwoch versucht, einen Rückzieher zu machen. Mirza kritisierte, dass noch immer eine Entschuldigung Johnsons ausstehe. „Es gab keine faire oder vernünftige Grundlage für diese Behauptung“, schrieb sie laut einem Bericht der Zeitschrift „Spectator“ in ihrem Rücktrittsschreiben.
Johnsons ehemaliger Chefberater Dominic Cummings, der inzwischen ein ausgemachter Gegner des Regierungschefs ist, erklärte, Mirzas Rücktritt sei ein „untrügliches Signal, dass der Bunker zusammenbricht“.