Die Zeichen für Volker Bouffier standen schon länger auf Abschied. Nun hat der hessische Ministerpräsident am Freitag in Fulda angekündigt, sich am 31. Mai aus seinem Amt zurückzuziehen. Landtagspräsident Boris Rhein soll sein Nachfolger werden. Die Entscheidung zu seinem Abschied habe er bereits im vergangenen Juli getroffen, sagte Bouffier. Damit verliert die CDU einen Regierungschef, der in der Partei auch auf Bundesebene zuletzt ein respektierter Machtfaktor war.
Gleich zwei große Herausforderungen hatten Bouffier in den vergangenen Monaten in Beschlag genommen. Die Coronakrise dominierte seine Agenda als Länderchef. Und auch im Streit um die Kanzlerkandidatur der Union spielte Deutschlands dienstältester Regierungschef eine zentrale Rolle im Hintergrund. Der von ihm gegen CSU-Chef Markus Söder unterstützte CDU-Vorsitzende Armin Laschet verlor jedoch die Bundestagswahl. Wie andere Laschet-Unterstützer auch stand Bouffier seitdem ein wenig im Abseits.
Die hessische Landespolitik prägte der am 18. Dezember 1951 in Gießen geborene Bouffier bereits seit vier Jahrzehnten mit. Seit 1978 gehört er dem CDU-Landesvorstand an, 1991 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Im hessischen Landtag sitzt er mit einer kurzen Unterbrechung seit 1982, von 1999 bis 2010 war er hessischer Innenminister. Inzwischen ist kein anderer Ministerpräsident länger im Amt als er.
Einst wurde er als konservativer „Law and Order“-Mann beschrieben, präsentierte sich dann aber seit seiner erstmaligen Wahl zum Ministerpräsidenten im August 2010 gern als ausgleichender Landesvater. Bouffier folgte damals in dem Amt auf den stets polarisierenden Roland Koch. Im Juni 2010 rückte er kurz vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten zudem als Nachfolger Kochs an die Spitze des CDU-Landesverbands.
Bei der Wahl 2013 stellte sich der verheiratete Vater dreier Kinder erstmals als Ministerpräsident dem Wählervotum. Das Wahlergebnis war kompliziert. Dass Bouffier die Grünen in die Regierung holte, brachte auch neuen Schwung in seine politische Karriere. Das schwarz-grüne Wiesbadener Bündnis setzte er nach der Landtagswahl 2018 fort. Obwohl die Koalition seither eine äußerst knappe Mehrheit von nur einem Mandat hat, gilt sie als stabil.
Bouffier war in seiner Karriere immer zuerst Landespolitiker. In der Bundes-CDU gewann er allerdings mit den Jahren an Gewicht und Einfluss. Innerhalb der Partei gilt er als bestens vernetzt, seit Ende 2010 war er einer ihrer stellvertretenden Vorsitzenden. Dabei unterstützte er stets den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel und mischte vor dem Ende ihrer Kanzlerschaft im Frühjahr auch vehement bei der Suche nach einem Nachfolgekandidaten mit. Im Januar 2021 kandidierte er nicht mehr für den Bundesvorstand.
Es wird maßgeblich Bouffier zugeschrieben, dass Laschet sich gegen Söder als Unionskanzlerkandidat durchsetzen konnte. Doch nach Laschets Scheitern gegen den SPD-Kandidaten Olaf Scholz findet sich die CDU nach 16 Jahren in der Opposition wieder. Laschets – und damit auch Bouffiers – Hoffnung auf eine CDU-geführte Regierung zerschlug sich. Der Makel blieb auch an Bouffier haften.
Dass Bouffier in Hessen nicht noch einmal antritt, sagte er schon vor der Landtagswahl 2018: „Ich möchte in dieser Legislaturperiode als Ministerpräsident weiter arbeiten – dann ist aber auch gut.“ Lange Zeit war ungewiss, wer ihn in seiner Partei vor der Wahl im Herbst 2023 politisch beerben könnte. Über eine mögliche Nachfolge sagte er im Sommer: „Das schauen wir, wenn es so weit ist.“
Nach Bouffiers überstandener privaten großen Herausforderung – einer Hautkrebsdiagnose Anfang 2019 – steht nun mit dem Vorschlag, Rhein zu seinem Nachfolger wählen zu lassen, eine lange politische Karriere vor dem Ende.