Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Russland Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen. „Was in der Ukraine geschieht, ist eine Wiederholung dessen, was wir in Syrien gesehen haben“, sagte Generalsekretärin Agnes Callamard am Dienstag anlässlich der Vorstellung des Jahresberichts der Organisation. Russland greife „gezielt“ zivile Einrichtungen an und verwandele Fluchtrouten in „Todesfallen“. Es handele sich um „eine eklatante Verletzung des Völkerrechts“, heißt es in dem Bericht.
Callamard verglich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP die belagerte ukrainische Stadt Mariupol mit der syrischen Stadt Aleppo. Diese war vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit Hilfe der russischen Luftwaffe völlig zerstört worden. Amnesty beobachte in der Ukraine eine „Vervielfachung der Kriegsverbrechen“, sagte sie.
Die Direktorin für Osteuropa, Marie Struthers, erklärte, Amnesty-Vertreter hätten bei einem Ortsbesuch in der Ukraine „den Einsatz derselben Taktiken wie in Syrien und Tschetschenien“ dokumentiert. Demnach setze Russland auch Waffen ein, die nach internationalem Recht verboten sind. Die Menschenrechtsorganisation habe „wahllose Angriffe auf Krankenhäuser, Wohngebiete und Kindergärten sowie den Einsatz verbotener Streumunition belegt“, erklärte Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland.
Amnesty warf der internationalen Staatengemeinschaft auch eine unzureichende Reaktion auf Konflikte weltweit vor. Callamard kritisierte die „beschämende Untätigkeit“ internationaler Institutionen wie des UN-Sicherheitsrats. Dieser solle besser als „Unsicherheitsrat“ betitelt werden. Ihr zufolge könne es im Umgang mit Russland keine „Neutralität“ geben. „Das Verhalten der russischen Regierung zeigt aufs Dramatischste die Folgen eines solchen weltweit verbreiteten Wegduckens“, erklärte auch Beeko.
Die Menschenrechtsorganisation lobte jedoch die rasche Reaktion der EU und Deutschlands auf die Fluchtbewegung im Zuge des Ukraine-Kriegs. Diese sei mit mehr als 3,8 Millionen Menschen die größte seit dem Zweiten Weltkrieg. „Amnesty International begrüßt, dass EU und Bundesregierung schnell reagiert haben und den Geflüchteten aus der Ukraine eine temporäre Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zugesprochen haben“, erklärte Beeko. Er mahnte jedoch, Flüchtlinge aus anderen Regionen nicht zu vergessen.