DIW-Chef Fratzscher fordert Aussetzung der Schuldenbremse für kommende Jahre

Marcel Fratzscher (über DIW)
Marcel Fratzscher (über DIW)

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hat sich für die kommenden Jahre für eine Aussetzung der Schuldenbremse ausgesprochen. „Der Ukraine-Krieg ist für die deutsche Finanzpolitik ein Dammbruch, denn dadurch wird eine Einhaltung der Schuldenbremse für die kommenden Jahre unmöglich sein“, sagte Fratzscher der „Rheinischen Post“. Dies solle die Regierung ehrlich eingestehen.

„Die Bundesregierung kann weiterhin versuchen, über den Aufbau von Rücklagen und Schattenhaushalten die Schuldenbremse zu umgehen“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Ehrlich wäre es jedoch zuzugeben, „dass die Staatsverschuldung in den kommenden Jahren deutlich wird steigen müssen“. Als Gründe nannte er neben dem Krieg auch die weitere Bewältigung der Corona-Pandemie sowie die notwendige „ökologische und digitale Transformation der deutschen Wirtschaft“.

„Die Bundesregierung darf nicht den Fehler der Vergangenheit wiederholen und das Land kaputt sparen, indem essenzielle öffentliche Investitionen in Sicherheit, Klimaschutz, Bildung, Gesundheit und Digitalisierung auf die lange Bank geschoben werden“, warnte Fratzscher. Eine Reform der Schuldenbremse sei daher überfällig „und sollte nun dringend umgesetzt werden“.

Auch die Union rechnet offensichtlich nicht mehr mit einer Rückkehr zur Einhaltung der normalen Regeln der Schuldenbremse und der Einhaltung der bisherigen Haushaltsziele. Mit Blick auf 2022 sagte ihr Chefhaushälter Christian Haase der „Rheinischen Post“, die vorgesehene Begrenzung der Nettokreditaufnahme auf 100 Milliarden Euro sei „schon vor der Invasion Russlands in die Ukraine illusorisch“ gewesen.

Haase warf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor, mit Hilfe großer Schattenhaushalte die wahre Neuverschuldung des Bundes zu verschleiern. Die Regierung plant ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, um der Bundeswehr zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Zudem wurden für das Haushaltsjahr 2021 mit Hilfe nicht benötigter Kreditermächtigungen 60 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds (EKF) überführt, was die Union für verfassungswidrig hält.

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