Die Europäische Kommission will die Abhängigkeit der EU von russischem Gas drastisch verringern. Mit Hilfe anderer Lieferanten und dem Ausbau erneuerbarer Energien lasse sich die „Nachfrage der EU nach russischem Gas um zwei Drittel bis Ende des Jahres reduzieren“, erklärte die EU-Kommission am Dienstag. Bis spätestens 2030 soll die EU nach den Plänen der Behörde unabhängig von russischen fossilen Brennstoffen sein.
Derzeit bezieht die Union demnach rund 40 Prozent ihres Erdgases aus Russland. Insgesamt werden 90 Prozent des in der EU verbrauchten Gases importiert. Für eine nun breiter aufgestellte Versorgung durch alternative Lieferanten setzt die Kommission besonders auf verflüssigtes Erdgas (LNG). Dieses könne die EU künftig stärker aus Erzeugerländern wie Katar, den USA und Ägypten importieren, heißt es in dem Vorschlag der Brüsseler Behörde.
Um für vollere Gasspeicher in Europa zu sorgen, schlug die Kommission eine Regel vor, dass bis Oktober jeden Jahres die Gasspeicher zu mindestens 90 Prozent gefüllt sein müssen. Derzeit liegt der Stand bei rund 30 Prozent. Für diesen Winter sei die Versorgung der Mitgliedstaaten aber gesichert.
Außerdem soll mehr auf Biogas und Wasserstoff gesetzt werden. Wasserstoff soll verstärkt aus erneuerbaren Energien gewonnen werden, und die Infrastruktur für die Gewinnung von Wasserstoff ausgebaut werden. Greenpeace kritisierte jedoch, dass damit von der Kommission keine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen angepeilt werde. Die EU müsse sich darauf konzentrieren, erneuerbare Energien auszubauen und ihre Nachfrage nach Energie zu reduzieren.
Was erneuerbare Energien anbelangt, schlug die Kommission vor, den Ausbau von Solar und Windkraft weiter zu verstärken. Das Anbringen von Solaranlagen auf Dächern soll beschleunigt werden, ebenso sollen Genehmigungsverfahren weniger lange dauern. Die Genehmigung zum Bau eines Windparks dauere derzeit sieben Jahre, bemängelte die Energiekommissarin Kadri Simson bei der Vorstellung der Pläne.
Vizekommissionspräsident Frans Timmermans betonte am Montagabend vor EU-Parlamentariern, dass die Umsetzung des Green Deal mit dem Ausbau der Erneuerbaren „noch dringender“ geworden sei. „Der einzige Weg“, wie die EU nicht unter Druck gesetzt werden könne, weil sie „Putins Kunde“ sei, „ist es, nicht mehr sein Kunde für unsere essenziellen Energieressourcen zu sein.“
Mit diesen Vorschlägen will die Brüsseler Behörde gleichzeitig gegen die hohen Energiepreise vorgehen. In diesem Zusammenhang schlägt sie vor, dass die Mitgliedstaaten ihre bisherigen Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte beibehalten. Einige Länder wie Frankreich hatten einkommensschwachen Haushalten Gutscheine ausgestellt. In Deutschland hatte die Regierung im Februar ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht, das unter anderem einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger vorsieht.
Zusätzlich soll es neue Unterstützungsmaßnahmen geben, bei denen Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen die Gewinne von Energieunternehmen für eine Umverteilung besteuern könnten.
Wie die Europäische Union sich breiter aufstellt bei ihrer Energieversorgung, wird auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder bei ihrem informellen Gipfel am Donnerstag in Versailles beschäftigen. Die 27 Mitgliedstaaten wollten die „Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten schrittweise abbauen“, heißt es in einem Entwurf für die gemeinsame Erklärung, der der Nachrichtenagentur AFP vorlag.