Es dürfte der politischste Eurovision Song Contest (ESC) in der Geschichte des Wettbewerbs werden – und Deutschlands Starter Malik Harris hat den Moment erkannt. „Stand with Ukraine“, hat sich der 24-Jährige auf die Rückseite seiner Gitarre geschrieben, die er am Ende seiner Popballade „Rockstars“ beim deutschen ESC-Vorentscheid passend in die Kamera drehte.
Dass Harris aber kein kühler Effekthascher ist, zeigte er nach seinem Sieg – da war er noch immer erkennbar berührt vom Gastauftritt der ukrainischen ESC-Gewinnerin von 2016, Jamala. „Ich musste ultrakrass weinen“, sagte Harris über die Worte von Jamala, die die Menschen in Europa emotional zum gemeinsamen Vorgehen gegen den Krieg in ihrem Heimatland aufrief.
Harris kam am 27. August 1997 zur Welt, er ist Deutsch-Amerikaner. Sein Vater ist der aus den USA stammende Fernsehmoderator Ricky Harris, der Ende der 1990er Jahre mit seiner Talkshow „Ricky!“ bei Sat.1 kurzzeitig populär war und vereinzelt bis heute im Fernsehen zu sehen ist. Ricky Harris ist Multiinstrumentalist. Maliks Großvater war Opernsänger; auch mütterlicherseits gibt es eine musische Ader in Harris‘ Familie, die Großmutter war Pianistin.
Malik entwickelte als Teenager seine Leidenschaft für die Musik, lernte etwa Gitarre spielen. Schon seit einigen Jahren schreibt er eigene Lieder und erreichte damit eine gewisse Resonanz. 2019 hievten Musikexperten seinen ersten Titel „Say the name“ auf eine Hotlist; seine Heimatstadt Landsberg am Lech im Westen Münchens verlieh ihm einen Kulturförderpreis.
Bald erhielt Malik einen ersten Plattenvertrag bei einem großen Studio und durfte auf Tourneen bei einigen Topstars als Vorband das Programm eröffnen, etwa bei James Blunt. Als seine Idole bezeichnet er Ed Sheeran, Macklemore und den Rapper Eminem – Harris rappt selbst in Passagen seines ESC-Songs „Rockstars“.
Von einem Durchbruch lässt sich bei Malik Harris allerdings bisher noch nicht sprechen. Sein vergangenes Jahr erschienenes Debütalbum bekam zwar einiges an Lob, fand aber wenig Niederschlag in den Charts. Entmutigen ließ er sich davon nicht. „Ich bin competitive“, sagte er über seinen Anspruch an seinem Abschneiden beim ESC-Finale. „Ich will schon gewinnen jetzt, auf jeden Fall.“ Es werde allmählich Zeit, dass Deutschland mal wieder ein bisschen mehr an Punkten hole. Bei den beiden vorherigen ESC-Finals wurde es jeweils nur der vorletzte Platz für Deutschland.
Doch dass in diesem Jahr ein anderes Land außer der Ukraine gewinnen kann, glaubt zumindest in den Wettbüros gerade niemand. Das ukrainische Kalush Orchestra steht dort gerade klar vorne. Harris ordnete sich auf Platz 22 der vor den beiden Halbfinals derzeit noch 40 Starter ein. Üblicherweise gibt es bis zum eigentlichen Finale aber noch viel Bewegung bei den Wetten.
Harris erwartet, dass der neben der Musik auch für schrille Auftritte und schräge Vögel stehende ESC in diesem Jahr „ein total anderer Contest“ wird als gewohnt. Es sei wichtig, dass sich alle anderen Ländern außer Russland einig seien – gerade um dies zu zeigen, komme dem ESC in diesem Jahr so eine große Rolle zu. „Ich bin sehr froh, dabei zu sein.“