Was wohl gewesen wäre, wenn Michaela May bei ihrem Trip durch Afrika Anfang der 70er Jahre nicht das Auto kaputt gegangen wäre? Eigentlich hatte May dem Regisseur Helmut Dietl für seine „Münchner Geschichten“ schon abgesagt. Doch wegen des kaputten Autos kehrte sie nach Deutschland zurück und spielte in der Serie mit – eine Entscheidung, die eine inzwischen Jahrzehnte andauernde große Fernsehkarriere der am Freitag 70 Jahre alt werdenden Schauspielerin begründete.
May ist heute das freundliche Münchner Gesicht des deutschen Fernsehens. Sie trägt die besondere Münchner Sprachfarbe, zeigt den typischen oberbayerischen Charme. Dazu kommt eine starke Ausstrahlung von Optimismus. Das wirkt unbeschwert und leicht.
Doch kürzlich machte die Schauspielerin ein Familiengeheimnis öffentlich, das ein ganz eigenes Bild zeigt. Innerhalb weniger Jahre begingen ihre drei Geschwister – zwei Brüder und eine Schwester – Suizid. Die Familie beschloss, niemals darüber zu sprechen. Erst nach dem Tod der Mutter durfte May dies jetzt und offenbarte in einem Fernsehporträt für den Bayerischen Rundfunk und einem Buch das Familiengeheimnis.
„Ich habe nie das Bedürfnis gehabt, mein Leben zu beenden“, sagte May dort über sich selbst. „Ich habe wahnsinnig Spaß am Leben.“ Statt sich von den Schicksalsschlägen runterziehen zu lassen, habe sie für sich entschieden, das Gegenteil zu machen. „Ich habe beschlossen, jetzt lebe ich für alle drei mit.“ Ihre erwachsene Tochter Alexandra aus ihrer geschiedenen ersten Ehe sagte in dem Film, tatsächlich strahle ihre Mutter unerschöpfliche Energie und das Gefühl aus, für mehrere Menschen leben zu wollen.
May kam am 18. März 1952 als Gertraud Mittermayr zur Welt. Sie kam schon als Kind zum Film. Unter ihrem Geburtsnamen spielte sie in der 1965 veröffentlichten Romanverfilmung von „Onkel Toms Hütte“ an der Seite von John Kitzmiller und O. W. Fischer die Hauptrolle. Im selben Jahr erschien eine „Heidi“-Verfilmung, in der sie die Klara spielte.
Mit diesen beiden Filmen endete die kurze Phase des Kinderstars schnell. Die Jungschauspielerin beendete die Schule und machte eine Ausbildung zur Erzieherin. Kindergärtnerin sei ihr Traumberuf gewesen, sagt May. Aber die Schauspielerei ließ sie nicht los. Sie spielte weiter in Theater, Film und Fernsehen – und feierte schließlich mit Dietls „Münchner Geschichten“ den großen Durchbruch.
In dieser Zeit legte sie auch den ungemochten Vornamen Gertraud ab und – aus dem Nachnamen Mittermayr löste sie das May – fertig war der Künstlername. Vor allem zwei Regisseure beflügelten ihre Karriere – Helmut Dietl, der sie auch im „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ besetzte, und Franz Xaver Bogner, bei dem sie in „Hans im Glück“, „Irgendwie und Sowieso“ und „Zur Freiheit“ mitspielte.
Oft spielte May in Produktionen nicht die Hauptrolle, sondern eine prominente Nebenrolle. Aber sie spielte in so vielen beliebten Fernsehreihen wie „Tatort“, „Der Alte“, „Ein Fall für zwei“ und „Forsthaus Falkenau“, dass sie praktisch zur festen Ausstattung des Fernsehprogramms gehört. Mehr als 200 Fernsehfilme zählt May in ihrer Vita auf. Viele Produktionen waren leicht zu konsumierende Kost, einge aber auch von hohem Anspruch. Ihre Rolle der Kommissarin Jo Obermaier an der Seite von Edgar Selge im „Polizeiruf 110“ brachte ihr viel Anerkennung.
Mehrere ihrer Filme und Theaterstücke drehte sie mit ihrem zweiten Ehemann, dem Regisseur Bernd Schadewald. Mit ihm fährt sie zu ihrem 70. Geburtstag nach Italien. „Ich will eine Woche in Sizilien verbringen, weil ich da noch nie war – ich betrete also Neuland an meinem Geburtstag“, sagte May dazu der „Augsburger Allgemeinen“.