Russisches Militär greift in der Ukraine Wohngebäude und Fernsehturm von Kiew an

Berichterstattung rund um den Krieg in der Ukraine (über cozmo news)
Berichterstattung rund um den Krieg in der Ukraine (über cozmo news)

Das russische Militär hat den Druck auf die Großstädte Kiew und Charkiw in der Ukraine am Dienstag verschärft und dabei auch Wohngebiete und den Fernsehturm der Hauptstadt bombardiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland „Kriegsverbrechen“ und „Staatsterrorismus“ vor. Satellitenbilder zeigten einen mehr als 65 Kilometer langen russischen Militärkonvoi auf dem Weg nach Kiew. Die Zahl der ukrainischen Kriegsflüchtlinge stieg nach UN-Angaben auf mindestens 677.000.

Bei dem Luftangriff auf den Fernsehturm in Kiew wurden nach ukrainischen Angaben fünf Menschen getötet, die Ausstrahlung der Fernsehprogramme war vorübergehend unterbrochen. Der Turm steht in der Nähe der Schlucht von Babyn Jar und der Gedenkstätte an ein dort von der Wehrmacht verübtes Massaker an jüdischen Ukrainern im Zweiten Weltkrieg.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der selbst Jude ist, prangerte an, dass die Welt schweige, während Bomben auf Babyn Jar fallen. „Wieder einmal ermorden diese Barbaren die Opfer des Holocausts“, schrieb er auf Twitter.

In der Schlucht Babyn Jar erschossen SS-Kommandos am 29. und 30. September 1941 mehr als 33.000 ukrainische Juden. Bis 1943 wurden in dem Gebiet bis zu 100.000 Menschen getötet – Juden, Roma und sowjetische Kriegsgefangene.

„An die Welt: Was nützt es, 80 Jahre lang „nie wieder“ zu sagen, wenn die Welt stumm bleibt, wenn eine Bombe auf die Stätte von Babyn Jar fällt?“, schrieb Selenskyj auf Twitter. „Erneut ermorden diese Barbaren die Opfer des Holocaust!“

Vor dem Angriff hatte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums Angriffe auf technische Infrastruktur in Kiew angekündigt. Dabei nannte er den Sicherheitsdienst SBU und „Einheiten für psychologische Einsätze“ als mögliche Ziele, vom Fernsehturm war jedoch nicht die Rede.

In Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, wurden nach Behördenangaben bei einem Luftangriff auf einen Hochhausblock mindestens acht Menschen getötet, zehn weitere starben demnach bei einem Angriff auf ein Regierungsgebäude in der 1,4-Millionen-Einwohner-Stadt.

Der britische Premierminister Boris Johnson nannte die Bombardierung von Charkiw „absolut widerlich“, sie erinnere an die Massaker an Zivilisten in Sarajevo während des Bosnien-Krieges. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den Angriff als Verstoß gegen das Kriegsrecht. Der Internationale Strafgerichtshof kündigte Untersuchungen zu möglichen Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine an.

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau übernahmen russische Streitkräfte die Kontrolle über die Region entlang der Küste des Asowschen Meeres. Von der annektierten Krim-Halbinsel die Küste entlang vorrückende Streitkräfte seien bis zu den Truppen der pro-russischen Separatisten aus Donezk vorgestoßen. Die Angaben waren nicht unmittelbar überprüfbar.

In der Küstenregion am Asowschen Meer liegen mehrere Großstädte, darunter die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol. Nach einer Offensive brach dort die Stromversorgung. Die Schwarzmeer-Stadt Cherson meldete, russische Kontrollposten hätten die Stadt eingekreist.

Satellitenbilder zeigten derweil einen mehr als 65 Kilometer langen russischen Militärkonvoi auf dem Weg Richtung Kiew. Ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums sagte allerdings, der Konvoi komme kaum vorwärts: „Wir haben allgemein das Gefühl, dass die Bewegung Richtung Kiew derzeit stockt.“ Offenbar habe die russische Armee Logistik- und Versorgungsprobleme.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu erklärte, Russland werde seine Angriffe so lange fortsetzen, „bis alle Ziele erreicht sind“ – die „Entmilitarisierung“ der Ukraine und die „Entnazifizierung“ ihrer Führung.

Auf ukrainischer Seite wurden nach offiziellen ukrainischen Angaben bis Dienstag mindestens 350 Zivilisten seit Beginn des russischen Angriffskriegs am vergangenen Donnerstag getötet. Russland hatte zunächst keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Reihen gemacht. Inzwischen hat es Tote und Verletzte zugegeben, ohne jedoch Zahlen zu nennen.

Mehr als 677.000 Menschen sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR bereits wegen des Krieges aus der Ukraine ins Ausland geflüchtet. Innerhalb des Landes sind nach UN-Angaben schätzungsweise eine Million Menschen auf der Flucht.

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