Die neue Fabrik des US-Elektroautoherstellers Tesla im brandenburgischen Grünheide sorgt für Aufregung in der deutschen Autoindustrie und in der Politik. Die sogenannte Gigafactory entstand in einer Rekordzeit von etwas mehr als zwei Jahren, eine halbe Million Autos pro Jahr sollen dort künftig vom Band laufen.
Welche Autos baut Tesla in Grünheide?
Rund 3000 Mitarbeiter fertigen aktuell in der Fabrik das Model Y, einen batteriebetriebenen Komfort-Geländewagen. Die ersten 30 Autos wurden am Dienstag übergeben. Langfristig sollen auf dem 300 Hektar großen Fabrikgelände auch viele Teile gefertigt werden, etwa Batteriezellen und Batterien, Elektromotoren, Kunststoffteile, Sitze und Achsen.
Tesla-Chef Elon Musk will künftig pro Jahr 500.000 Elektroautos in Grünheide herstellen. Dafür will das Unternehmen insgesamt 12.000 Mitarbeiter anstellen. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer rechnet in diesem Jahr mit der Produktion von 100.000 Fahrzeugen.
Das Model Y kostet ab 63.990 Euro. Mit einer Batterieladung kommen Fahrerinnen und Fahrer laut Unternehmen 514 Kilometer weit. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 250 Stundenkilometer.
Mit welchen Lieferzeiten ist zu rechnen?
Nach Angaben von Tesla ist ein Model Y bei Neubestellung gegenwärtig ab April lieferbar – im Vergleich mit anderen Autoherstellern wäre das eine spektakulär kurze Lieferzeit. Angesichts von Lieferengpässen bei Halbleitern haben sich die Lieferzeiten bei Neuwagen zuletzt deutlich verlängert.
Autoexperte Stefan Bratzel erläutert auf AFP-Anfrage, dass Tesla von einer besonderen Beziehung zu Chiplieferanten profitiert. Während viele Autobauer in der Corona-Pandemie bereits getätigte Chipbestellungen stornierten, nahm Tesla weiterhin alle bestellten Halbleiter ab. Zudem verfüge Tesla über ein besonders starkes Know-How im Bereich Software: Chips könnten so umprogrammiert werden, um im Auto Kernfunktionen zu erfüllen.
Welche Preisentwicklung ist zu erwarten?
Mit der Fertigung in Brandenburg rückt die Produktion näher an die europäischen Verbraucher. Tesla will in Grünheide für den deutschen und den europäischen Markt produzieren; bisher kam ein Großteil der Autos aus Kalifornien, teilweise auch aus einer Fabrik in Shanghai.
Wie sich die Eröffnung der Fabrik in Deutschland auf die Endpreise für Kunden hierzulande auswirken wird, ist laut Bratzel noch nicht abzusehen. Die erklärte Mission von Tesla-Gründer Musk sei zwar auf jeden Fall, „Elektromobilität für jedermann erschwinglich zu machen“. Die Preise würden aber auch vom Wettbewerb und der Preisentwicklung bei Vorprodukten – beispielsweise Batterien – beeinflusst.
Experte Dudenhöffer erwartet einen Rückgang der Preise: So betrug der Durchschnittspreis weltweit für einen Tesla 2017 demnach rund 81.000 Euro, 2021 waren es rund 42.700 Euro. Mit der neuen Fabrik dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen.
Was bedeutet die Eröffnung für die Konkurrenz?
Die Ansiedlung von Tesla in Deutschland bezeichnet Bratzel als „Stachel im Fleisch der Premiumautobauer“. Bei den deutschen Autoherstellern werde dies für einen Motivationsschub sorgen, Zukunftsthemen schneller und entschlossener anzugehen, sagt er. Auch die Bauzeit der neuen Fabrik sei mit rund zwei Jahren eine neue Messlatte für die Unternehmen – Volkswagen etwa plant aktuell eine neue Fabrik in Wolfsburg und wird den Erfolg von Tesla in Grünheide vor Augen haben.
Welche Folgen sieht die Industrie?
Auch die Wirtschaft fordert Lektionen aus dem Bau der Tesla-Fabrik: „Das Tempo bei Tesla muss als Vorbild für Investitionsprojekte in Deutschland dienen“, fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie. „Die deutschen Industrieunternehmen wünschen sich derartigen Rückhalt für jedes Genehmigungsverfahren in allen Bundesländern.“