Wenn es nach Thomas Kutschaty geht, sind die vergangenen fünf Jahre in Nordrhein-Westfalen nur ein Ausrutscher gewesen – ein kurzes Zwischenspiel unter CDU-Führung, dem mit der Landtagswahl am 15. Mai ein Ende bereitet werden soll. „Das sozialdemokratische Jahrzehnt hat mit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr begonnen“, sagte der 53-Jährige kürzlich vor Journalisten. Sein Ziel steht fest: Kutschaty will als Spitzenkandidat das bevölkerungsreichste Bundesland für die SPD zurückgewinnen.
Kutschaty ist nicht nur Spitzenkandidat und Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD, sondern seit Dezember auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Den Menschen in Nordrhein-Westfalen dürfte er jedoch vor allem aus seiner Zeit als Justizminister bekannt sein. Unter SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft führte der Jurist das Ministerium sieben Jahre lang, bis die rot-grüne Regierung in Düsseldorf abgewählt wurde.
Offiziell ins Rennen um das Ministerpräsidentenamt schickte ihn seine Partei auf einem digitalen Parteitag im Februar. Rund 96,8 Prozent der Delegierten stellten sich hinter den Landesvorsitzenden. Für Kutschaty war das „ein wunderbares Ergebnis, ein Traumergebnis“ – für das er im Gegenzug versprach, Verantwortung zu übernehmen und „auch schwere“ Entscheidungen zu treffen.
In seinem Wahlkampf setzt Kutschaty auf klassische sozialdemokratische Kernthemen – soziale Gerechtigkeit, Bildungsgleichheit und sichere Arbeitsplätze. Es sind Schlagwörter, denen er mit Anekdoten aus seiner eigenen Biografie als Arbeiterkind Leben einhaucht.
Kutschaty erzählt gern von seiner Herkunft, aus der er nach eigener Aussage viele seiner Überzeugungen zieht. Am 12. Juni 1968 kam er im Ruhrgebiet, das lange als Herzkammer der Sozialdemokratie galt, als Sohn eines Eisenbahners zur Welt. In Essen-Borbeck wuchs er in einfachen Verhältnissen auf und war der erste in seiner Familie, das Abitur machte. Den damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt erlebte er zum ersten Mal mit zwölf Jahren in der Essener Gruga-Halle.
Kutschaty selbst bekam sein SPD-Parteibuch im Jahr 1986, war Sprecher der Jungsozialisten und brachte sich schon früh in der Kommunalpolitik ein. Auch während seines späteren Jurastudiums an der Ruhr-Universität in Bochum blieb er dem „Pott“ treu. Im Jahr 1997 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Als direkt gewählter Kandidat im Wahlkreis Essen I – Mülheim II zog er im Jahr 2005 erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein.
Auf der Bühne und im Landtag wirkt der verheiratete Vater dreier Kinder oft verbissen und teilt gern gegen die Regierungsparteien aus. Stellenweise ist in solchen Reden ein Ruhrgebietsdialekt herauszuhören, etwa wenn er „drübber“ statt „drüber“ sagt. Auf die Bitte, sich selbst mit wenigen Worten zu beschreiben, fiel Kutschatys Einschätzung einmal etwas zahmer aus: „Jemand, der Erfahrung und das Herz am rechten Fleck hat.“ Außerdem sei er großer Fan der „Jahrhundertperson“ Freddie Mercury. Und gut zuhören könne er auch.
Als Herausforderer des amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) kann Kutschaty nicht auf einen Amtsbonus setzen. Der habe bei der letzten Landtagswahl aber auch nicht geholfen, sagte Kutschaty in einem Interview mit Blick auf die Niederlage Krafts im Jahr 2017 gegen den späteren CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Doch aktuelle Umfragen sahen die SPD zuletzt wieder deutlich hinter der CDU – jüngst mit fünf Punkten Rückstand bei 27 Prozent.
Kutschaty zeigt sich dennoch kämpferisch. Mit Wüsts kurzer Regierungszeit als Nachfolger Laschets geht er immer wieder hart ins Gericht. Ihm wirft er unter anderem „Flucht vor Verantwortung“ etwa beim Klimaschutz vor. Er selbst sei bereit, diese Verantwortung zu übernehmen und gibt sich mit Blick auf einen Regierungswechsel zuversichtlich.
Durch den klaren Wahlsieg der SPD im Saarland erhofft sich der Herausforderer Rückenwind für die nordrhein-westfälische Landtagswahl. „Das sozialdemokratische Herz schlägt wieder laut und kräftig“, befand Kutschaty kürzlich.