Die Zahl der Studierenden in Deutschland ohne Abitur hat einen neuen Höchststand erreicht. Im Jahr 2020 studierten rund 66.000 Menschen ohne Hochschul- und Fachhochschulreife, wie eine am Montag veröffentlichte Auswertung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh ergab. Dies waren doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Studierende ohne Abitur machten damit einem Anteil von 2,2 Prozent an der gesamten Studierendenschaft in der Bundesrepublik aus.
Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger ohne Abitur vervierfachte sich demnach in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Hatten sich im Jahr 2002 noch 3240 beruflich qualifizierte Erstsemester eingeschrieben, waren es 15.161 im Jahr 2020 – und damit laut CHE „so viele wie nie zuvor“. Damit kletterte auch deren Anteil an allen Erstsemestern im Bundesgebiet auf ein neues Hoch von 3,1 Prozent.
Regionale Unterschiede zeigen sich im Bundesländervergleich. Die meisten Studienanfängerinnen und -anfänger ohne Abitur gab es in Thüringen. Dort hatten sie einen Anteil von 10,8 Prozent an allen Erstsemestern. Dahinter folgten Hamburg mit 4,7 Prozent und Bremen mit 3,7 Prozent.
Hauptgrund für den Spitzenplatz von Thüringen ist laut CHE die private IU Internationale Hochschule, die ihren Hauptstandort von Nordrhein-Westfalen nach Erfurt verlegte. Sie war demnach mit 2538 beruflich qualifizierten Erstsemestern im Jahr 2020 die am stärksten beim Studium ohne Abitur nachgefragte Hochschule im Bundesgebiet.
Die Bedeutung der Universitäten nimmt dabei im Vergleich der Hochschultypen stetig ab. Entschieden sich 2011 noch die Hälfte aller Erstsemester ohne Abitur für ein Studium an einer Universität, ist es der Auswertung zufolge inzwischen nur noch ein Viertel.
„Früher gab es die strikte Trennung von beruflicher und akademischer Bildung“, erklärte CHE-Geschäftsführer Frank Ziegel. Heute gehörten beide Bereiche nachschulischer Bildung immer selbstverständlicher zu einer Bildungsbiografie. Dies zeige die seit Jahren konstant wachsende Gruppe der Studierenden, die „über den dritten Bildungsweg“ auf einen deutschen Campus gelangten.
Voraussetzungen für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne allgemeine Hochschulreife und Fachhochschulreife sind in der Regel eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie der Nachweis von Berufserfahrung. Je höher die im Beruf erworbene Qualifikation ist, desto größer ist auch die Auswahl an Studiengängen, die studiert werden können.