UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hat sich erschüttert über die Entdeckung von hunderten getöteten Zivilisten in Kiews Vorort Butscha gezeigt. „Ich bin entsetzt über die Bilder von Zivilisten, die tot auf den Straßen und in improvisierten Gräbern liegen“, erklärte Bachelet am Montag. Die Berichte aus Butscha und anderen Gebieten „werfen ernste und beunruhigende Fragen über mögliche Kriegsverbrechen, schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und schwerwiegende Verletzungen der internationalen Menschenrechte auf“.
Alle Leichen müssten exhumiert und identifiziert werden, um die genauen Todesursachen festzustellen und die Familien der Opfer informieren zu können, erklärte Bachelet. Zugleich forderte sie, alles zu tun, um Beweise zu sichern. Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden für „unabhängige und wirksame Untersuchungen der Geschehnisse in Butscha“. Nur so könnten die Wahrheit und die Verantwortung für die Taten geklärt sowie Wiedergutmachung und Entschädigung für die Opfer und ihre Familien gewährleistet werden.
In dem Kiewer Vorort waren nach dem Rückzug der russischen Armee aus der ukrainischen Hauptstadtregion hunderte Leichen von Zivilisten gefunden worden. Die Gesamtzahl der Toten ist unklar. Die ukrainische Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa sprach am Sonntag von 410 toten Zivilisten.
AFP-Reporter berichteten von zahlreichen Toten in ziviler Kleidung. Allein auf einer Straße in Butscha sahen die Reporter am Samstag mindestens 22 Leichen liegen. Augenzeugen berichteten AFP, dass sie zwischen den russischen Streitkräften in Butscha auch tschetschenische Kämpfer gesehen hätten.
Papst Franziskus beklagte in einem Tweet am Montag, dass sich „die Logik des Krieges“ wieder durchgesetzt habe, „weil wir nicht mehr gewohnt sind, in der Logik des Friedens zu denken“. Der Pontifex fügte in seiner auch auf Russisch und Ukrainisch verfassten Kurzbotschaft hinzu: „Wir sind starrköpfig, wir sind verliebt in Kriege, in die Gesinnung Kains.“
Moskau bestritt, für den Tod der Zivilisten verantwortlich zu sein und sprach von „Videofälschungen“. Der stellvertretende russische UN-Botschafter, Dmitri Poljanskij, forderte für Montag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats wegen der „abscheulichen Provokationen ukrainischer Extremisten“.
Bachelets Büro hatte am Sonntag erklärt, seine Mitarbeiter vor Ort seien noch nicht in der Lage gewesen, die von den ukrainischen Behörden gemeldeten Zahlen oder Einzelheiten zu überprüfen.