Mit Boxhandschuhen in einer Pariser Vorstadt, so zeigte Präsident Emmanuel Macron sich kurz vor der entscheidenden Runde der französischen Präsidentschaftswahl. Nach einem anfangs mauen Wahlkampf trat Macron immer kämpferischer auf und ging die Rechtspopulistin Marine Le Pen im Fernsehduell hart an. Nur zehn Punkte trennen die beiden laut Umfragen. Im Fall seiner Wiederwahl muss Macron mit einer breiten Opposition in der Bevölkerung rechnen.
Vor fünf Jahren war er wie ein Wirbelwind ins Amt gekommen – jung, blitzgescheit, politische Lager sprengend, ohne je zuvor in ein Amt gewählt geworden zu sein. Er war ein Überflieger, der sich immer schon gerne über Konventionen hinwegsetzte und sich auf jeder Bühne wohlfühlt.
Das war schon so, als er sich als Jugendlicher in die Leiterin der Theatergruppe an seiner Schule verliebte. Allen Widerständen zum Trotz heiratete er die 24 Jahre ältere Brigitte und bildet mit ihr bis heute ein außergewöhnliches Paar. Brigittes Enkelkinder hielten bei seinem Auftritt vor 30.00 Anhängern stolz Plakate mit der Parole „Daddy – Präsident“ hoch.
Das erste Mandat hat Stirnfalten und ergraute Koteletten hinterlassen. Macron hatte seine Amtszeit im Mai 2017 vor dem Louvre zu den Klängen der Europahymne begonnen. Für sein erstes Kabinett wilderte er bei Rechten und Linken gleichermaßen.
Schnell eroberte er sich seinen Platz auf dem internationalen Parkett, übte sich dafür im Händequetschen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und versuchte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Prunk und Protz in Versailles zu beeindrucken.
Innenpolitisch setzte Macron zügig Reformen des Arbeitsmarktes, der Bahn und der Universitäten durch. Gegen die Rentenreform hingegen gab es so viel Widerstand, dass die Corona-Pandemie eine willkommene Gelegenheit bot, sie auf Eis zu legen. Inzwischen tragen die Reformen Früchte, die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken. Dank der staatlichen Unterstützung nach Macrons Motto „Koste es, was es wolle“ läuft auch die Wirtschaft wieder besser an als befürchtet.
Außenpolitisch hat Macron Europa weiter vorangebracht als kaum ein anderer während dieser Zeit. Selbst die gegen gemeinsame Schulden allergische Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ sich am Ende auf einen großzügigen Corona-Wiederaufbaufonds ein.
Der Ukraine-Krieg gab Macrons Werben für eine gemeinsame Verteidigung unerwartet dramatische Aktualität. Zeitweise war Macron der einzige westliche Politiker, der Kontakt zu Putin hielt und stundenlang mit ihm zu verhandeln versuchte – allerdings vergeblich.
Daneben fand das weitgehende Scheitern des Militär-Einsatzes in Mali kaum Aufmerksamkeit. Auch seine Klimapolitik, die er anfangs mit Leidenschaft vertreten hat, gilt als Flop. Le Pen beschimpfte ihn in der TV-Debatte als „Klimaheuchler“. Für viele Deutsche klang es schockierend, als Macron den Bau von bis zu 14 neuen Atomkraftwerken ankündigte. Inzwischen blickt Deutschland allerdings neidisch auf Frankreich, da das Nachbarland wesentlich einfacher auf russisches Gas und Öl verzichten kann.
Zu den größten Schwachpunkten Macrons zählt sicher das Image des abgehobenen und besserwisserischen Politikers. Als „Präsident der Reichen“ hatten ihn die Gelbwesten beschimpft. Die Protestbewegung gegen hohe Lebenshaltungskosten hatte 2018 das Land mit Demos und Ausschreitungen in Atem gehalten.
Die Unzufriedenen, die Abgehängten, die Globalisierungsverlierer – bei all diesen Menschen hat Macron kaum eine Chance. Immer wieder eckt er mit arroganten Bemerkungen an, auch wenn er anschließend jedes Mal Besserung gelobt.
Das Paradoxe ist allerdings, dass er im persönlichen Kontakt als guter Zuhörer gilt und mit Geduld und Sachkenntnis manche Skeptiker überzeugen kann. Eine Gabe, die ihm beim Endspurt vor der Stichwahl sicher noch einige Stimmen eingetragen hat. Ob es für seine Wiederwahl reicht, erfahren die Franzosen am Sonntag nach 20.00 Uhr.