Er hat in seiner ersten Amtszeit viele gegen sich aufgebracht und enttäuscht. Und doch ist es Emmanuel Macron gelungen, was kein französischer Präsident der Fünften Republik vor ihm geschafft hat: seine Wiederwahl zu sichern, während er eine Regierungsmehrheit hat. Bei der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen am Sonntagabend ging ein Aufatmen durch weite Teile Frankreichs und Europas.
Vor fünf Jahren war Macron wie ein Wirbelwind ins Amt gekommen – jung, blitzgescheit, politische Lager sprengend, ohne je zuvor in ein Amt gewählt geworden zu sein. Er war ein Überflieger, der sich immer schon gerne über Konventionen hinwegsetzte und sich auf jeder Bühne wohlfühlt.
Das war schon so, als er sich als Jugendlicher in die Leiterin der Theatergruppe an seiner Schule verliebte. Allen Widerständen zum Trotz heiratete er die 24 Jahre ältere Brigitte und bildet mit ihr bis heute ein außergewöhnliches Paar. Brigittes Enkelkinder hielten bei einem einer Wahlkampfauftritte vor 30.00 Anhängern stolz Plakate mit der Parole „Daddy – Präsident“ hoch.
Seine Amtszeit hatte der damals 39-Jährige im Mai 2017 vor dem Louvre zu den Klängen der Europahymne begonnen. Die Melodie blieb gewissermaßen die Hintergrundmusik seines Mandats, in dem Macron sich für eine verbesserte europäische Zusammenarbeit engagierte.
Schnell eroberte sich der junge Präsident seinen Platz auf dem internationalen Parkett, übte sich dafür im Händequetschen mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und versuchte, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Prunk und Protz in Versailles zu beeindrucken.
Innenpolitisch setzte Macron zügig Reformen des Arbeitsmarktes, der Bahn und der Universitäten durch. Gegen die Rentenreform hingegen gab es so viel Widerstand, dass die Corona-Pandemie eine willkommene Gelegenheit bot, sie auf Eis zu legen. Inzwischen tragen die Reformen Früchte, die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken. Dank der staatlichen Unterstützung nach Macrons Motto „Koste es, was es wolle“ läuft auch die Wirtschaft wieder besser an als befürchtet.
Außenpolitisch hat Macron Europa weiter vorangebracht als kaum ein anderer während dieser Zeit. Selbst die gegen gemeinsame Schulden allergische Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ sich am Ende auf einen großzügigen Corona-Wiederaufbaufonds ein.
Der Ukraine-Krieg gab Macrons Werben für eine gemeinsame Verteidigung unerwartet dramatische Aktualität. Zeitweise war Macron der einzige westliche Politiker, der Kontakt zu Putin hielt und stundenlang mit ihm zu verhandeln versuchte – allerdings vergeblich.
Daneben fand das weitgehende Scheitern des Militär-Einsatzes in Mali kaum Aufmerksamkeit. Auch seine Klimapolitik, die er anfangs mit Leidenschaft vertreten hat, gilt als Flop. Für viele Deutsche klang es schockierend, als Macron den Bau von bis zu 14 neuen Atomkraftwerken ankündigte.
Zu den größten Schwachpunkten Macrons zählt sicher das Image des abgehobenen und besserwisserischen Politikers. Als „Präsident der Reichen“ hatten ihn die Gelbwesten beschimpft. Die Protestbewegung gegen hohe Lebenshaltungskosten hatte 2018 das Land mit Demos und Ausschreitungen in Atem gehalten.
Bei den Unzufriedenen, den Abgehängten, den Globalisierungsverlierern hat Macron kaum eine Chance. Auch bei jungen Menschen schneidet er unterdurchschnittlich ab. Immer wieder eckte Macron mit arroganten Bemerkungen an, auch wenn er anschließend jedes Mal Besserung gelobte.
Im persönlichen Kontakt gilt er als guter Zuhörer, der mit Geduld und Sachkenntnis manche Skeptiker überzeugen kann. Eine Gabe, die ihm beim Endspurt vor der Stichwahl sicher noch einige Stimmen eingetragen hat.
Für seine zweite Amtszeit hat sich Macron große Reformen vorgenommen, unter anderem das Renten- und das Schulsystem. Die wichtigste Aufgabe dürfte allerdings darin bestehen, das Land wieder zu einen. Viele, die ihm in der Stichwahl ihre Stimme gegeben haben, haben dies nur getan, um einen Sieg der rechtspopulistischen Marine Le Pen zu verhindern.