Die Bundesregierung hat am Mittwoch eine Bafög-Reform auf den Weg gebracht, die den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern und die gezahlten Sätze erhöhen soll. Vorgesehen ist ein Anstieg des sogenannten Grundbedarfssatzes von 427 auf 449 Euro im Monat. Die Wohnpauschale für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, soll von 325 auf 360 Euro steigen. Das Deutsche Studentenwerk forderte angesichts der Inflation eine deutlich stärkere Anhebung der Bedarfssätze.
Dem vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf des Bundesbildungsministeriums zufolge soll eine ganze Reihe von Leistungssätzen angehoben werden. Wer beispielsweise nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine Abendschule besucht und nicht bei den Eltern wohnt, kann mit 733 Euro statt bislang 681 Euro rechnen. Auch die Zuschläge für Kranken- und Pflegeversicherung steigen.
Gleichzeitig soll der Kreis derjenigen größer werden, die überhaupt die Förderung in Anspruch nehmen können. Die Altersgrenze von 30 Jahren bei Beginn der zu fördernden Ausbildung, die bisher in den meisten Fällen gilt, steigt auf 45 Jahre. Studierende, die einen Masterabschluss anstreben, können in bestimmten Fällen auch in noch höherem Alter Bafög bekommen.
Außerdem sollen verschiedene Freibeträge angehoben werden; der für das eigene Vermögen etwa soll auf 45.000 Euro steigen. Statt wie bisher ab 2000 Euro soll das Einkommen von verheirateten Elternteilen künftig erst ab 2400 Euro auf den Bafög-Anspruch des Kindes angerechnet werden.
Ein weitere Punkt des Gesetzentwurfs zielt darauf ab, die Antragstellung via Internet zu erleichtern. Die neuen Regeln kosten den Staat den Berechnungen des Bundesbildungsministeriums zufolge ab 2023 jedes Jahr eine hohe dreistellige Millionensumme.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte, mit dem Kabinettsbeschluss habe die Bundesregierung „den Grundstein dafür gelegt, dass das Bafög attraktiver, moderner und flexibler wird und wieder mehr echte Teilhabe an bester Bildung ermöglicht“. Der Entwurf wird nun im Bundestag beraten. Das Gesetz soll im Sommer in Kraft treten und zum kommenden Schuljahresbeginn beziehungsweise nächsten Wintersemester greifen.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) sieht bei der Novellierung „klare Stärken, aber auch eine deutliche Schwäche“. DSW-Generalsekretär Matthias Anbuhl hob die Erhöhung der Elternfreibeträge um zwanzig Prozent und die Anhebung der Altersgrenze auf 45 Jahre als „wichtige, große Schritte“ hervor.
Eine „eklatante Schwachstelle“ sei aber angesichts der hohen Inflation die „viel zu geringe Anhebung der Bafög-Bedarfssätze um nur fünf Prozent“. Anbuhl kritisierte: „Die Inflation frisst diese Erhöhung gleich wieder auf.“ Die Bedarfssätze müssten „um mindestens zehn Prozent erhöht werden“, damit das Bafög zum Leben reiche.
Der SPD-Bildungspolitiker Oliver Kaczmarek nannte die Bafög-Novelle einen „ersten notwendigen Schritt“. In einem zweiten Reformschritt werde die Ampel-Koalition das Bafög „strukturell verbessern, das heißt Fachrichtungswechsel ermöglichen, die Förderhöchstdauer anpassen und eine elternunabhängige Basisförderung für alle Studierenden einführen“.
Die Grünen-Abgeordneten Nina Stahr und Laura Kraft verwiesen darauf, dass aktuell nur noch elf Prozent der Studierenden Anspruch auf Bafög-Leistungen hätten. Das entspreche aber in keiner Weise der Zahl an jungen Menschen, die tatsächlich Unterstützungsbedarf hätten. Die Novelle sei „der erste Schritt einer großen Reform des Bafög“.
Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nicole Gohlke, erklärte: „Der große Wurf bleibt aus, stattdessen gibt es viel Stückwerk.“ Von einer Trendwende beim Bafög könne nicht die Rede sein. „Die Inflation galoppiert, und Bafög-Satz und Wohngeld laufen weiter hinterher“, kritisierte Gohlke.