Ukraine schlägt Verhandlungen mit Russland in belagertem Mariupol vor

Berichterstattung rund um den Krieg in der Ukraine (über cozmo news)
Berichterstattung rund um den Krieg in der Ukraine (über cozmo news)

Angesichts der dramatischen Lage im seit Wochen belagerten Mariupol hat die Ukraine eine „besondere Verhandlungsrunde“ mit Russland in der strategisch wichtigen Hafenstadt vorgeschlagen. Es könnten Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“ stattfinden, schrieb der ukrainische Chefunterhändler Mychailo Podoljak am Mittwoch auf Twitter. Ein erneuter Versuch zur Einrichtung eines Fluchtkorridors für Zivilisten aus Mariupol war zuvor gescheitert. Die EU sagte Kiew weitere militärische Unterstützung zur Verteidigung gegen die russischen Truppen zu.

Podoljak betonte, die Ukraine wolle ihre Soldaten und Zivilisten aus Mariupol retten. Der ukrainische Unterhändler David Arachamia erklärte, er und Podoljak seien bereit, nach Mariupol zu kommen, „um Gespräche mit der russischen Seite über die Evakuierung unserer Truppen und Zivilisten zu führen“.

Die ukrainischen Streitkräfte in Mariupol hatten am Mittwoch einen verzweifelten Hilferuf an „alle Anführer der Welt“ veröffentlicht. Diese sollten die in einem Stahlwerk verschanzten ukrainischen Soldaten aus Mariupol herausholen und in einen „Drittstaat“ bringen, sagte der Kommandeur Serhij Wolyna in einem Facebook-Video. „Der Feind ist uns in einem Verhältnis von 10:1 überlegen“, betonte er.

Die Anlage des Konzerns Asow-Stahl hat zahlreiche unterirdische Tunnel. Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol beschrieb die Lage dort als „grauenvoll“. Bis zu 2000 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, seien dort ohne „normale“ Versorgung mit Trinkwasser, Essen und frischer Luft.

Ein Kommandeur des nationalistischen ukrainischen Asow-Bataillons, Swjatoslaw Palamar, sprach auf Telegram von massiven russischen Bombenangriffen auf das Asow-Stahl-Werk. „Wir sind bereit, mit Hilfe einer dritten Partei mit unseren kleinen Waffen aus Mariupol geholt zu werden“, erklärte er.

Ziel sei es, die Verwundeten zu retten und die „Leichen der Toten würdevoll auf Gebiet zu bestatten, das nicht von der Russischen Föderation kontrolliert wird“. Der Forderung Russlands, sich mitsamt ihren Waffen zu ergeben, werde seine Einheit aber nicht nachkommen, betonte Palamar.

Nach Angaben der ukrainischen Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk hatte sich Kiew mit den russischen Truppen erstmals seit Samstag auf einen Fluchtkorridor für Zivilisten aus der Hafenstadt geeinigt. Wie Wereschtschuk am Abend mitteilte, scheiterte die Einrichtung der Fluchtroute nach Saporischschja jedoch. Die russischen Truppen hätten gegen die vereinbarte Feuerpause verstoßen und Busse für die Evakuierungen blockiert, erklärte sie.

Auch in anderen Teilen der Ostukraine gingen die Kämpfe weiter. Die russischen Streitkräfte erklärten, sie hätten 73 Luftangriffe in der Ukraine geflogen.

Angesichts der Lage will der Westen die militärischen und finanziellen Hilfen für Kiew nochmals verstärken. „Sie sind nicht allein, wir sind bei Ihnen und wir werden alles tun, um Sie zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt“, betonte EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Selenskyj seinerseits erneuerte seine Forderung nach schweren Waffen.

Bundesaußenministerin Annalena Barbock (Grüne) sicherte Kiew Unterstützung bei der militärischen Ausbildung und Wartung zu. Panzerlieferungen seien kein Tabu für die Bundesregierung, „aber kurzfristig ist bei uns nichts vorhanden, was wir jetzt wirklich schnell und unverzüglich liefern können“, sagte sie bei einem Besuch in Riga.

Washington korrigierte unterdessen Angaben zur angeblichen Lieferung von Kampfjets an die Ukraine. „Ich habe mich getäuscht“, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby mit Blick auf eigene Äußerungen vom Dienstag. Die Ukraine habe „nicht ganze Flugzeuge aus einem anderen Land erhalten“, sondern „Ersatzteile und zusätzliche Ausrüstung“.

Kiew hat die Nato wiederholt zur Lieferung von Kampfflugzeugen aufgefordert. Derartige Lieferungen gelten jedoch als heikel. Befürchtet wird, dass eine Übergabe von Kampfjets an die Ukraine durch die Nato von Russland als Eskalation wahrgenommen werden könnte.

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