Der Unions-Außenpolitikexperte Jürgen Hardt (CDU) hat die Ablehnung eines Besuchs von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine als eine „schwere Belastung“ des Verhältnisses beider Länder bezeichnet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müsse noch heute mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefonieren, forderte Hardt am Mittwoch im „Morgenmagazin“ der ARD.
Scholz sollte mit Selenskyj „unter zwei Ohren die Dinge besprechen, auch alle Beschwernisse auf beiden Seiten auf den Tisch legen“, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er gehe davon aus, dass dadurch auch eine „neue Basis“ für die deutsch-ukrainischen Beziehungen gefunden werden könne. „Früher oder später muss Scholz auch selbst das direkte Gespräch mit Selenskyj in der Region suchen, idealerweise in Kiew“, fügte er an.
Hardt äußerte Verständnis für die ukrainische Entscheidung gegen einen Besuch Steinmeiers. Dieser habe als Kanzleramtsminister unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Erdgaspipeline Nord Stream 1 „mit möglich gemacht“ und als Außenminister bei den Verhandlungen über das Minsker Abkommen eine Rolle gespielt, wobei die Ukraine den damaligen Prozess lediglich als „Hinhaltetaktik“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin betrachte. Die ukrainische Regierung werfe Deutschland vor, das „zu lange toleriert zu haben“, sagte Hardt.
Die ukrainische Führung hatte am Dienstag einen Besuch Steinmeiers abgelehnt, der gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Polen und den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen nach Kiew reisen wollte. Steinmeier befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade bei einem Besuch in Polen. Die Entscheidung der Ukraine gilt als ungewöhnlicher diplomatischer Affront und Zeichen dafür, wie tief die Unzufriedenheit mit der deutschen Politik in der Ukraine ist.
In der Debatte um die Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland an die Ukraine forderte Hardt von Scholz eine positive Entscheidung. Deutschland sollte „nicht immer das Land sein, das auf der Bremse steht“, sagte er. „Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen.“ Die Bundesrepublik sei „gut beraten“, schwere Waffen wie die von der Ukraine gewünschten Panzer „jetzt“ zu liefern. Deutschland hätte bereits viel früher anfangen müssen, diesen Prozess vorzubereiten.
Deutschland müsse eine Entscheidung für solche Waffenlieferungen innerhalb der EU maßgeblich mit voranbringen, forderte Hardt. Er äußerte im ARD-„Morgenmagazin“ zugleich den Verdacht, dass die innerparteilichen Kräfteverhältnisse in der SPD dies verhinderten. Er vermute, dass „am Ende“ SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich und nicht der Bundeskanzler das entscheide. „Herr Mützenich ist stark auf der Bremse, was solche Lieferungen angeht und ich glaube, das ist für den Bundeskanzler im Augenblick das Problem“, sagte Hardt.