Hinter den Sorgenfalten von Müttern in den USA kommt immer deutlicher Panik zum Vorschein: Ein Mangel an Babymilch sorgt in den Vereinigten Staaten für Aufregung, Eltern suchen zunehmend verzweifelt in Drogeriemärkten nach Säuglingsnahrung, und längst schon wird das Thema auch politisch heiß debattiert. Für die Krise gibt es eine Reihe von Gründen – unter anderem die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die vorübergehende Schließung einer großen Produktionsstätte wegen einer vermuteten Bakterienbelastung. Eltern aber haben schon längst kein Verständnis mehr.
Sara Khan, deren jüngstes von drei Kindern sechs Monate alt ist, berichtet frustriert von leeren Regalen in Drogerien und Supermärkten in der Hauptstadt Washington und Umgebung. Freunde schicken ihr inzwischen Babymilchpulver aus Boston oder New York, wenn sie welches finden. Sogar in Deutschland hat sie das Pulver schon bestellt. „Das ist absurd“, sagt Khan.
Hauptgrund für die Knappheit ist eine große Rückrufaktion des Herstellers Abbott nach dem Tod von zwei Babys. Vermutet wurde zwischenzeitlich eine Belastung durch Bakterien in einem Werk im Bundesstaat Michigan. Der Verdacht wurde ausgeräumt, die Produktion wurde aber noch nicht wieder aufgenommen. Betroffen ist unter anderem die bekannte Marke Similac, auf die in den USA Millionen Familien setzen.
Schon zuvor hatten eine stark schwankende Nachfrage, Lieferkettenprobleme und ein Arbeitskräftemangel im Zuge der Corona-Pandemie für Probleme gesorgt. Zuletzt gab es laut dem Marktbeobachter Datasembly in den Lagerbeständen eine Lücke von mehr als 40 Prozent.
„Das ist nicht über Nacht passiert“, sagt Sara Khan. „Ich weiß seit fast sieben Monaten von diesem Problem.“
Auch die Familie Espinosa aus San Diego im Westküstenstaat Kalifornien klagt über die Engpässe. „Es gibt nichts in den Regalen“, sagt Olivia Espinosa. Besonders problematisch ist, dass ihr drei Wochen altes Baby Maya eine Laktose-Intoleranz hat. Die Eltern würden gerne verschiedene Produkte ausprobieren, die sind aber schlicht nicht erhältlich. Das sei „extrem frustrierend“, ärgert sich Olivia Espinosa.
Das Magazin „The Atlantic“ schreibt schon, der Babymilch-Mangel sei von einer anfänglichen Kuriosität zu einer „nationalen Krise angewachsen“. Die Opposition nutzt das für Angriffe auf Präsident Joe Biden und dessen Regierung. Der Anführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, sagte am Donnertag, Biden und die US-Lebensmittelaufsicht FDA hätten von dem Problem gewusst, während es sich ausgeweitet habe, aber nichts unternommen. „Sie haben geschlafen.“
„Das ist kein Dritte-Welt-Land“, empört sich die konservative Abgeordnete Elise Stefanik. „Das sollte nie in den Vereinigten Staaten passieren.“
Das Weiße Haus beteuert, es arbeite „rund um die Uhr“ daran, das Problem zu beheben. Am Donnerstag sprach Biden mit Vertretern von Herstellern und Handelsketten und kündigte in der Folge eine Reihe von Maßnahmen an. Unter anderem sollen mehr Babymilch-Importe zugelassen werden – derzeit stammen nach offiziellen Angaben 98 Prozent des US-Konsums aus der heimischen Produktion – außerdem sollen bürokratische Hürden abgebaut und möglicher Marktmissbrauch untersucht werden.
Der Präsident steht unter großem Druck: Seine Umfragewerte sind angesichts der andauernden Corona-Pandemie, außenpolitischer Krisen und der hohen Inflation ohnehin schon schlecht, und im Herbst stehen die wichtigen Kongress-Zwischenwahlen an. Da kann Biden sich nicht auch noch eine lang andauernde Babymilch-Krise leisten.