In Wilhelmshaven an der Nordseeküste wird seit Donnerstag ein Anleger für ein schwimmendes Flüssiggasterminal gebaut – die Bundesregierung läutete damit einen Sprint bei Investitionen in die LNG-Infrastruktur ein. Bis zum Winter sollen zwei schwimmende LNG-Terminals ans Netz gehen, zwei weitere im Mai 2023. Sie sollen helfen, die Abhängigkeit von russischen Gasimporten schnellstmöglich zu beenden. Umweltorganisationen kritisierten die Pläne.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) setzten den ersten Rammschlag für den Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven. Habeck unterzeichnete eine Absichtserklärung mit dem Land Niedersachsen zum Ausbau der LNG-Infrastruktur und schloss zudem Verträge mit Unternehmen, um insgesamt vier schwimmende LNG-Terminals zu mieten.
Bis zum Jahreswechsel sollen zwei sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU) in Deutschland in Betrieb genommen werden, wie Habeck mitteilte. FSRU sind Spezialschiffe, die Flüssiggas von Tankern abnehmen, in Gas umwandeln und ins Gasnetz einspeisen können. Bisher verfügt Deutschland über keine eigenen LNG-Terminals.
Angemietet werden die FSRU von den Energiekonzernen Uniper und RWE, die Gesamtkosten belaufen sich laut Wirtschaftsministerium auf 2,94 Milliarden Euro. Jedes der vier FSRU kann laut Wirtschaftsministerium mindestens fünf Milliarden Kubikmeter LNG zurück in Gas umwandeln. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven wird laut Uniper rund 8,5 Prozent des deutschen Gasbedarfs decken können, zusammen können die zwei über Uniper angemieteten FSRU laut Konzernangaben rund 30 Prozent der russischen Gasimporte ersetzen.
Die geplante Infrastruktur sei auch darauf ausgelegt, in Zukunft Lieferungen von grünem Wasserstoff anzunehmen, betonte Habeck. „Eine beschleunigte Energiewende ist das A und O für eine günstige, unabhängige und sichere Energieversorgung.“ Er forderte eine Verdreifachung der Geschwindigkeit beim Ausbau der Erneuerbaren. „Nur wenn wir dies neben dem Aufbau von Infrastruktur für LNG mitdenken, kann Versorgungssicherheit nachhaltig gewährleistet werden.“
Lies sagte, „auf dem Weg raus aus dem Klammergriff russischer Gaslieferungen sind wir in Niedersachsen bereit, Verantwortung zu übernehmen“. Die Projekte würden mit „einer ganz neuen Geschwindigkeit“ umgesetzt. Neben dem schwimmenden Terminal in Wilhelmshaven ist im niedersächsischem Stade auch der Bau eines regulären LNG-Terminals geplant. Ein weiteres reguläres Terminal soll in Brunsbüttel entstehen.
Auch der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) begrüßte den Baubeginn in Wilhelmshaven als „starkes Signal“. Das Vorhaben stehe jedoch unter hohem Zeitdruck, Niedersachsen könne diese „gesamtstaatliche Aufgabe mit nationaler Tragweite nicht allein bewältigen“. Er forderte Habeck deshalb auf, Fristverkürzungen für die Vorhaben möglichst schnell umzusetzen, „damit diese für Wilhelmshaven und Stade greifen und die Genehmigungsbehörden damit arbeiten können“.
Kritik am Ausbau der LNG-Infrastruktur kam vom BUND. Die Umweltschutzorganisation forderte das Umweltministerium auf, den „unkontrollierten Wildwuchs der LNG-Terminals“ zu stoppen. Die Nutzung von LNG sei mit den Klimazielen der Bundesregierung unvereinbar, zudem seien die Baumaßnahmen „ein großes Risiko für den Umwelt- und Artenschutz“. Die Verflüssigung von Gas zu LNG und der Transport seien sehr energieintensiv und stünden deshalb im Verdacht, „teilweise klimaschädlicher zu sein als die Kohlenutzung“.
Auch der Greenpeace-Chef in Deutschland, Martin Kaiser, kritisierte die Pläne der Bundesregierung. „Durch Energiesparen, zusätzliche Investitionen in Erneuerbare Energien und Nutzung der bestehenden Infrastrukturen, können wir die russischen Gasimporte auch ohne neue LNG-Terminals ersetzen“, betonte Kaiser im Gespräch mit der „Rheinischen Post“. Er forderte „eine massive Offensive für schnelle Gebäudesanierungen, den Ersatz von Gasheizungen durch Wärmepumpen und erneuerbare Lösungen für die Industrie“.