Briten wählen mehrere Regionalparlamente – Premier Johnson unter Druck

Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street
Boris Johnson - Bild: Simon Dawson / No 10 Downing Street

In Großbritannien haben die Bürger am Donnerstag bei mehreren Regionalwahlen abgestimmt, die als wichtiger Stimmungstest für Premierminister Boris Johnson gelten. Bei den Urnengängen geht es zwar eigentlich um die konkrete Politik vor Ort, Experten gehen aber davon aus, dass bei der Entscheidung der Wähler auch die Arbeit der Regierung von Premierminister Boris Johnson eine Rolle spielen dürfte – und dessen Skandal um illegale Corona-Partys.

In England standen 4360 Abgeordnetenmandate in 146 Bezirken zur Wahl, darunter in wichtigen Ballungszentren wie Birmingham, Leeds und Manchester sowie in allen 32 Bezirken Londons. In Schottland und Wales wurden sämtliche Ratsversammlungen neu gewählt. In Nordirland stand die Wahl für das Regionalparlament in Belfast an.

Bei den Regionalwahlen geht es eigentlich um die konkrete Politik vor Ort, die Beteiligung ist traditionell eher niedrig. Experten gingen aber davon aus, dass auch der Skandal um Corona-Partys zu Lockdown-Zeiten in Johnsons Amtssitz in der Londoner Downing Street Auswirkungen haben dürfte. Zudem macht die steigende Inflation auch britischen Wählern zu schaffen. Niederlagen der konservativen Tories könnten diejenigen in Johnsons Partei stärken, die schon länger seine Absetzung betreiben.

Der Premierminister gab seine Stimme am Donnerstag in einem Wahllokal im Zentrum Londons in Begleitung seines Hunds Dilyn ab. Keir Starmer, Chef der sozialdemokratischen Oppositionspartei Labour, wählte im Norden der Hauptstadt mit seiner Ehefrau Victoria.

Umfragen sagten für England voraus, dass Labour dort die meisten Sitze gewinnen würde. Parteichef Starmer möchte ehemals „rote“ Gegenden in Mittel- und Nordengland zurückgewinnen, die bei der vergangenen Unterhauswahl an die Konservativen gefallen waren. In London schielten die Sozialdemokraten auf konservative Hochburgen wie Kensington und Chelsea.

Spannend dürfte es in Nordirland werden, wo die Partei Sinn Fein die Mehrheit der Sitze gewinnen könnte. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass eine irisch-nationalistische Partei stärkste Kraft im Parlament wird.

Sinn Fein, früher der politische Arm der paramilitärischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA), strebt eine Wiedervereinigung des britischen Nordirlands mit der Republik Irland an. Im Wahlkampf hatte die Partei unter Spitzenkandidatin Michelle O’Neill allerdings betont, „nicht fixiert“ auf ein Datum für ein Unabhängigkeitsreferendum zu sein. Deirdre Heenan, Professorin für Sozialpolitik an der University of Ulster, sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Es wird eine drastische Veränderung bedeuten, wenn eine Nationalistin nordirische Regierungschefin wird.“

In Schottland möchte die Labour-Partei die Konservativen vom zweiten Platz hinter der Schottischen Nationalpartei (SNP) verdrängen. Die SNP-Chefin und schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hofft indes darauf, ein starkes Abschneiden ihrer Partei könnte zur Grundlage für ein weiteres Referendum über eine schottische Unabhängigkeit von Großbritannien werden. Johnson hat eine erneute Abstimmung mehrfach abgelehnt. 2014 – vor dem Brexit – hatten sich 55 Prozent der Schotten gegen eine Loslösung ausgesprochen.

In Wales, wo die 16- und 17-Jährigen zum ersten Mal wahlberechtigt sind, will Labour seine starke Stellung verteidigen.

Bei den Regionalwahlen im Jahr 2018 hatte die oppositionelle Labour-Partei Boden gegenüber den Tories gutgemacht. Im Dezember 2019 feierte Regierungschef Johnson allerdings einen Erdrutschsieg bei den britischen Unterhauswahlen. Sein Versprechen damals: Den jahrelangen politischen Stillstand im Land zu beenden und den Brexit endlich umzusetzen.

Johson vollzog den EU-Austritt Großbritanniens, die Corona-Pandemie brachte seine innenpolitischen Vorhaben aber ins Stocken. Mehrere regelwidrige Partys in Johnsons Amtssitz und mögliche Lügen dazu im Parlament sowie der massive Anstieg der Lebenshaltungskosten haben seiner Beliebtheit erheblich geschadet.

Die Wahllokale sollten am Donnerstag um 21 Uhr Ortszeit (22 Uhr MESZ) schließen. Erste Ergebnisse wurden für den späten Abend erwartet.

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