Linken-Chefin Janine Wissler sieht ihre Partei nach Sexismus-Vorwürfen und dem Rücktritt der Ko-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow „in sehr schwerer Zeit“. Es gehe jetzt darum, alles zu tun, „um den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen“, sagte Wissler am Montag. Fraktionschefin Amira Mohamed Ali sagte: „Es geht um nicht weniger als den Fortbestand unserer Partei.“ Laut Wissler gibt es für die Neuwahl der Parteispitze noch keine offiziellen Kandidaturen; sie selbst wolle „zeitnah“ entscheiden, ob sie zur Wiederwahl antrete.
Wissler sagte in Berlin, die Linken-Kandidatinnen und -Kandidaten für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen führten ihre Wahlkämpfe „in sehr schwerer Zeit“. Sie fügte hinzu: „Die Linke ist in einer schwierigen Situation.“ Von dem Parteitag am 24. bis 26. Juni in Erfurt müsse das klare Signal ausgehen, „dass wir die Linke wieder erfolgreich machen“.
Die Partei will nach dem Rücktritt von Hennig-Wellsow vorzeitig eine neue Führung wählen. Wissler sagte, sie gehe nicht davon aus, dass es einen Vorschlag des amtierenden Vorstands für die neue Spitze geben werde. Dazu sei die Partei aber in Gesprächen, dann werde auch sie selbst „zeitnah entscheiden“. Im Moment sei aus ihrer Sicht noch nichts zu verkünden.
Wissler sagte zugleich, sie sei „sehr gerne Parteivorsitzende“ und habe den Eindruck, dass sie noch einiges an Dingen zu erledigen habe.
Fraktionschefin Mohamed Ali wies in der Sendung „RTL/ntv-Frühstart“ die Kritik der Linken-Abgeordneten Martina Renner zurück, in der Bundestagsfraktion herrsche ein Grundklima, das sexistische Übergriffe beflügele. Weder sie noch weitere Fraktionsmitglieder nähmen ein solches Klima wahr. „Ich würde mir wünschen, dass wenn solche Vorwürfe erhoben werden, sie auch konkret benannt werden“, betonte Mohamed Ali. „So pauschale Dinge in den Raum zu stellen, hilft nicht weiter“, sagte sie.
Auf die Frage, warum nach den Vorwürfen sexueller Übergriffe Hennig-Wellsow zurückgetreten sei und nicht die aus Hessen stammende Wissler, sagte Mohamed Ali: „Ich hätte mir gewünscht, dass niemand zurücktritt, weil wir in dieser Situation dringend einen guten Parteivorstand brauchen.“
Im Zusammenhang mit den Berichten zu sexuellen Übergriffen in Hessen war Wissler vorgeworfen worden, darauf nicht rechtzeitig reagiert zu haben. Hennig-Wellsow hatte ihren überraschenden Rücktritt vor zwei Wochen auch mit den Vorgängen in Hessen begründet.