Wenn es nach Thomas Kutschaty geht, sind die vergangenen fünf Jahre in Nordrhein-Westfalen nur ein Ausrutscher gewesen – ein kurzes Zwischenspiel unter CDU-Führung, dem nun ein Ende bereitet werden soll. Trotz des Siegs der Christdemokraten bei der Landtagswahl gab sich der 53-Jährige am Sonntag gedämpft optimistisch. Zwar sei es an der CDU, als erste eine mögliche Regierung zu sondieren. Alle demokratischen Parteien müssten aber miteinander ins Gespräch kommen, vielleicht reiche es sogar für Rot-Grün, sagte Kutschaty in der ARD.
Er glaube, dass die SPD „viele Schnittmengen mit den Grünen“ habe, sagte Kutschaty weiter. Dazu gehörten mehr Geld für Bildung, bezahlbare Wohnungen und das Vorhaben, die Wirtschaft so zu modernisieren, dass klimafreundliches Arbeiten möglich sei. Es sind die Themen, mit denen Kutschaty in den vergangenen Monaten durch das bevölkerungsreichste Bundesland getourt ist.
Um ihm zu helfen, kamen auch Vertreter der Bundespolitik in den NRW-Wahlkampf, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Für die „große Unterstützung“ bedankte sich Kutschaty am Sonntagabend ausdrücklich.
Der Essener ist nicht nur Spitzenkandidat und Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD, sondern seit Dezember auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei. Den Menschen in Nordrhein-Westfalen dürfte er jedoch vor allem aus seiner Zeit als Justizminister bekannt sein. Unter SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft führte der Jurist das Ministerium sieben Jahre lang, bis die rot-grüne Regierung in Düsseldorf abgewählt wurde.
Offiziell ins Rennen um das Ministerpräsidentenamt schickte ihn seine Partei auf einem digitalen Parteitag im Februar. Rund 96,8 Prozent der Delegierten stellten sich hinter ihn.
Kutschaty erzählt gern von seiner Herkunft, aus der er nach eigener Aussage viele seiner Überzeugungen zieht. Am 12. Juni 1968 kam er im Ruhrgebiet, das lange als Herzkammer der Sozialdemokratie galt, als Sohn eines Eisenbahners zur Welt. In Essen-Borbeck wuchs Kutschaty in einfachen Verhältnissen auf und war der erste in seiner Familie, der das Abitur machte. Den damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt erlebte er zum ersten Mal mit zwölf Jahren in der Essener Gruga-Halle.
Kutschaty selbst bekam sein SPD-Parteibuch im Jahr 1986, war Sprecher der Jungsozialisten und brachte sich schon früh in der Kommunalpolitik ein. Auch während seines späteren Jurastudiums an der Ruhr-Universität in Bochum blieb er dem „Pott“ treu. Im Jahr 1997 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Als direkt gewählter Kandidat zog er im Jahr 2005 erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein.
Auf der Bühne und im Landtag wirkt der verheiratete Vater dreier Kinder oft verbissen und teilt gern gegen die Regierungsparteien aus. Stellenweise ist in solchen Reden ein Ruhrgebietsdialekt herauszuhören, etwa wenn er „drübber“ statt „drüber“ sagt.
Auf die Bitte, sich selbst mit wenigen Worten zu beschreiben, sagt Kutschaty: „Jemand, der Erfahrung und das Herz am rechten Fleck hat.“ Außerdem sei er großer Fan der „Jahrhundertperson“ Freddie Mercury. Und gut zuhören könne er auch.
Ob er diese Eigenschaften in Zukunft als Landesvater einbringen kann, war am Sonntagabend noch unklar. Denn obwohl „Schwarz-Gelb abgewählt“ wurde, wie Kutschaty betonte, wurde doch die CDU mit Ministerpräsident Hendrik Wüst stärkste Kraft. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Mona Neubaur, wollte sich noch nicht auf einen bevorzugten Koalitionspartner festlegen.