Druck auf Lindner im Streit um Schuldenbremse wächst

Christian Lindner (Archiv) (über dts Nachrichtenagentur)
Christian Lindner (Archiv) (über dts Nachrichtenagentur)

Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und fehlender Mittel für mehr Investitionen wächst der Druck auf Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Schuldenbremse für kommendes Jahr auszusetzen. „Deutschland droht durch Preis- und Zinssteigerungen, durch Abwanderung von Unternehmen und durch Engpässe bei Fachkräften eine sich verschärfende wirtschaftliche Lage“, sagte Berlins SPD-Chefin und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey der „Süddeutschen Zeitung“. Eine weitere „zeitlich begrenzte“ Lockerung der Schuldenbremse sollte deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern ernsthaft diskutiert werden.

Denn ein starker Wirtschaftsstandort Deutschland sei auch eine Frage der Generationengerechtigkeit. Auch die SPD-Linke fordert von Lindner eine Aufgabe seines bisherigen Kurses: „Die Diskussionen um jetzt nötige Kürzungen zur Einhaltung der Schuldenbremse zeigen, dass nicht unnötige Ausgaben reduziert werden, sondern man fast nur dringend nötige Investitionen kürzt“, sagte der Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 in der SPD, Sebastian Roloff, der „Süddeutschen Zeitung“. In der aktuellen Situation multipler Krisen sei dies auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv.

„Die Schuldenbremse sollte aktuell mindestens ausgesetzt werden, in besseren Zeiten spricht aus meiner Sicht auch nichts gegen Haushaltskonsolidierung, dies geht allerdings auch ohne Schuldenbremse“, so der bayerische Bundestagsabgeordnete. Die Jusos wollen sogar, „dass die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz gestrichen wird“ – erwartet werden dazu Anträge beim Bundesparteitag der SPD im Dezember. Für ein Streichen bräuchte es aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag.

Auch führende Ökonomen fordern ein befristetes Aussetzen, das auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ins Spiel gebracht hat, auch um den Wohnungsbau angesichts hoher Mieten anzukurbeln. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sagte der SZ: „Die Schuldenbremse ist schädlich und ein Überbleibsel einer vergangenen Zeit.“ Eine kluge Regel für die Finanzpolitik des Staates solle sich vielmehr eine Mindestgrenze für ökologische, wirtschaftliche und soziale Investitionen setzen, damit Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig bleiben.

„Die heutige wirtschaftliche Misere in Deutschland ist auch das Resultat der völlig irrationalen Logik, Schulden seien immer schlecht.“ Man brauche Spielraum für Investitionen. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, sagte der SZ, eine Aussetzung der Schuldenbremse, um Konjunkturprogramme zu finanzieren, wäre keine gute Idee.

Am ehesten wäre aber an eine Aussetzung zu denken, wenn der Staat dann den Wohnungsbau und die energetische Gebäudesanierung vorantreiben würde. Zudem sei generell für gezielte Investitionen in Infrastruktur und Zukunftsbereiche eine Schuldenfinanzierung gerechtfertigt, weil auch die kommende Generation davon profitiere. „So ist als Antwort auf den `Inflation Reduction Act` der USA der beschleunigte Ausbau der Versorgung mit erneuerbarer Energie angezeigt und der dafür notwendigen Verteilernetze.“

Ein anderes Beispiel seien der Ausbau der Bahninfrastruktur, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Die aktuellen Kürzungspläne der Koalition hier seien ein „Sparen am falschen Ende“.

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