Nach mehreren kritischen Signalen verschiedener Vatikanbehörden in den vergangenen Monaten hat sich Papst Franziskus nun persönlich in der Debatte um katholische Kirchenreformen in Deutschland zu Wort gemeldet und weitreichende Liberalisierungen zurückgewiesen.
Er teile die „Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“, schreibt das Kirchenoberhaupt in einem persönlichen Brief vom 10. November an vier deutsche Katholikinnen, darunter zwei Theologieprofessorinnen, über den die „Welt“ (Mittwochausgaben) berichtet.
„Anstatt das `Heil` in immer neuen Gremien zu suchen und in einer gewissen Selbstbezogenheit die immer gleichen Themen zu erörtern“, lade er dazu ein, „sich zu öffnen und hinauszugehen, um unseren Brüdern und Schwestern zu begegnen, besonders jenen, die an den Schwellen unserer Kirchentüren, auf den Straßen, in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern, auf den Plätzen und in den Städten zu finden sind“, schreibt Franziskus.
Der Papst bezieht sich in dem Brief, der auf Deutsch verfasst und handschriftlich mit „Franziskus“ unterzeichnet ist, auf den Reformprozess „Synodaler Weg“, den die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vor vier Jahren gemeinsam gestartet haben. Sie wollen damit zum Beispiel mehr demokratische Teilhabe in der katholischen Kirche ermöglichen. Ein aktueller Beschluss sieht die Einrichtung eines „Synodalen Rates“ aus Laien und Bischöfen vor, der deutschlandweit verbindliche Entscheidungen zu theologischen oder finanziellen Fragen treffen soll.
Obwohl Rom ein solches Gremium ablehnt, ließen DBK und ZdK am 10. November in Essen eine provisorische Arbeitsgruppe („Synodaler Ausschuss“) zusammenkommen, um eine solche neue Instanz vorzubereiten. Auch dieses Vorgehen könne die Deutschen von der kirchlichen Einheit entfernen, schreibt der Papst nun in seinem Brief. Ein „Beratungs- und Entscheidungsgremium“, wie es derzeit vorbereitet werde, sei „mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen“.
Franziskus reagiert damit auf einen Brief vom 6. November, in dem die beiden Theologinnen Katharina Westerhorstmann und Marianne Schlosser, die Journalistin Dorothea Schmidt und die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz angesichts des deutschen Reformkurses ihre Sorge um die Einheit mit Rom zum Ausdruck gebracht hatten. Alle vier waren ursprünglich selbst Delegierte der DBK für den „Synodalen Weg“, haben ihr Mandat aber mittlerweile niedergelegt. „Es hat uns überrascht, dass uns der Papst innerhalb weniger Tage geantwortet hat“, sagte Katharina Westerhorstmann der „Welt“.
„Dass sein Schreiben genau das Datum trägt, an dem sich der Synodale Ausschuss konstituiert hat, ist aus unserer Sicht möglicherweise kein Zufall.“ Sie seien äußerst dankbar für die „Klarheit seiner Worte“, so die Theologin. „Die Sorge um die Einheit ist ja nicht nur für Deutschland relevant, sondern ist für die ganze Weltkirche von großer Bedeutung.“