Zwei geisterhaft knorrige Kornelkirschbäume beherrschen die Bühne, unter den romantischen Arkaden lauern geheimnisvolle Schatten und dahinter ragt das mächtige Gemäuer der riesigen Stiftskirche in den Himmel. Die lebendige Kulisse im alten Klostergarten verschlägt den Besuchern der Kreuzgangspiele Feuchtwangen schon den Atem, bevor das Theater überhaupt beginnt.
Die sommerlichen Festspiele im ehemaligen Benediktinerkloster zählen zu den ältesten Freilichttheatern in Deutschland, seit 1949 locken sie jedes Jahr zigtausende Zuschauer von nah und fern nach Feuchtwangen. Die fränkische Fachwerkstadt liegt südwestlich von Nürnberg an der Romantischen Straße, einer der beliebtesten deutschen Ferienstraßen.
Auf dem Festspielprogramm stehen auch in diesem Jahr sechs große Inszenierungen, sowohl klassische Dramen und Komödien als auch moderne Stücke und Kindertheater.
Auf der Höhe der Zeit
„Unser Sommertheater ist bildschön und macht Spaß, aber wir lesen die Stücke auch kritisch und heben sie auf die Höhe der Zeit“, erzählt die Dramaturgin Maria Wüstenhagen. Und so haben die Kreuzgangspiele in diesem Jahr für die Aufführung der tragischen Komödie „Der Besuch der alten Dame“ das Frauenbild des Autors Friedrich Dürrenmatt unter die Lupe genommen.
„Wer ist diese mysteriöse Dame? Was hat es auf sich mit den Schatten der Vergangenheit?“ Im Theater die Vielfalt der menschlichen Perspektiven sichtbar zu machen, ist den Verantwortlichen dabei wichtig. Das wird auch in dem modernen Solo „Anne-Marie die Schönheit“ von Yasmina Reza zu erleben sein, die mit „Der Gott des Gemetzels“ Weltruhm erlangt hat. Denn sie hat den Monolog einer Schauspielerin ausdrücklich für einen männlichen Darsteller geschrieben.
Dieses Stück kommt am kleineren Spielort des Festivals auf die Bühne, im idyllischen Nixel-Garten an der Stadtmauer. Die Festspielsaison läuft in diesem Jahr noch bis zum 11. August.
Komödie und Kindertheater
Einen besonderen Coup verspricht die Inszenierung von Agatha Christies raffinierter Krimikomödie „Mord im Orientexpress“: Hier wird der Feuchtwanger Kreuzgang zum Eisenbahnwaggon, in dem der Meisterdetektiv Hercule Poirot auf freier Strecke einen Mordfall ermittelt. Für Kinder ab fünf Jahren wird „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren gespielt, wobei das historische Kloster eine eindrucksvolle Räuberburg abgibt.
Im lauschigen Nixel-Garten erleben die ganz Kleinen ab drei Jahren das poetische Schauspiel „Der Regenbogenfisch“. Und Jugendliche ab 13 Jahren gehen im Theaterprojekt „#Faust/Zwei Seelen“ mit Goethes berühmtem Drama auf einen Selbstfindungstrip.