Bezahlbarer Wohnraum ist dringend gesucht. Doch die hohen Kosten beim Neubau machen Kaufen und Mieten teuer – und stellen auch für Bauherren eine zunehmende Herausforderung dar. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat kürzlich aufgezeigt, mit welchen Lösungen die Preise gesenkt und Preissteigerungen entsprechend abgemildert werden können.
Die vom IW vorgeschlagenen Maßnahmen für Kostensenkungen im Wohnungsbau sind grundsätzlich keine schlechte Idee – doch nicht selten stecken hinter den vermeintlich einfachen Lösungen komplexe Herausforderungen, die die Lage am Bau erschweren.
Neben den offensichtlichen sollten immer auch die versteckten Einsparpotenziale genutzt werden. Wie Bauherren das maximale Einsparpotenzial erreichen können, ohne Abstriche bei der Qualität oder Nachhaltigkeit ihres Bauprojekts zu machen, erklärt Ingenieur und Bauherrexperte Dr. Peter Burnickl, der die Herausforderungen schon seit einiger Zeit beobachtet.
Analyse der Einflussfaktoren auf Neubaupreise
Um die Einflussfaktoren auf die Preise für Neubauten zu erfassen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rund 210.000 Kauf- und 365.000 Mietangebote von Neubauwohnungen analysiert. Das Ergebnis: Chancen für Kosteneinsparungen sieht das IW unter anderem beim Verzicht auf eine hochwertige Ausstattung, der mit Preisabschlägen von bis zu 15 Prozent einhergeht. Den größten Hebel für geringere Kauf- und Mietpreise bieten jedoch der Verzicht auf Wohnfläche und das Wohnen in Wohngemeinschaften.
Die Vorschläge des IW klingen nachvollziehbar – vor allem jedoch machen sie klar, welch bedeutendes Problem die steigenden Baukosten darstellen. Der Verzicht auf Wohnfläche als Lösung mag polemisch klingen, spiegelt jedoch den allgemeinen Trend zu kleineren Wohnungen wider: Immer mehr Menschen, darunter auch die steigende Anzahl von Singles und Rentnern, versuchen aufgrund der hohen Immobilienpreise, durch die Reduktion von Fläche oder Volumen Kosten zu sparen. Alternativ könnten staatliche Maßnahmen zur Senkung der Baulandpreise eine Lösung bieten – hier besteht allerdings das Problem, dass Neubauten politisch derzeit aufgrund von Flächenversiegelungen nicht gewünscht sind.
Preisexplosionen in der Gebäudetechnik
Es bedarf also innovativer Lösungsansätze, um das Problem langfristig anzugehen. Denn die Realität zeigt: Bis 2050 müssten in Deutschland jedes Jahr 400.000 Wohnungen neu gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Doch in Wahrheit wird das Ziel der Regierung weit verfehlt. Ein vielversprechender Ansatz, um dem Wohnraummangel entgegenzuwirken, ist das sogenannte Value Engineering. Der Ansatz kommt aus den USA und wurde in den 1940er Jahren entwickelt. Er gilt als systematische Methode zur Verbesserung des „Wertes“ eines Produkts oder einer Dienstleistung. Beim Value Engineering ist das Ziel, unnötige Kosten zu identifizieren und zu eliminieren und den Wert zu steigern, ohne aber die Qualität zu beeinträchtigen.
Dabei werden alle Bauteile anhand unterschiedlicher Kriterien kritisch hinterfragt. Wichtig ist unter anderem die Frage, ob die Ausstattung in Relation zu den Kosten einen Mehrwert bringt. Ein einfaches Beispiel hierfür ist die Entscheidung zwischen einer zentralen oder dezentralen Lüftungsanlage, die einen erheblichen Einfluss auf die Herstellkosten, unter Umständen jedoch nicht auf die späteren Verkaufs- oder Mietpreise hat.
Weniger ist mehr
Leider lässt der Fokus auf den Value-Engineering-Ansatz immer mehr nach. Das gilt insbesondere in der Gebäudetechnik, deren Kosten in den letzten Jahren im Gesamtverhältnis deutlich überproportional gestiegen sind. Während der Anteil der Gebäudetechnik an den Gesamtkosten vor wenigen Jahren noch unter 20 Prozent betrug, liegt er heute bei 30 bis 40 Prozent. Das liegt unter anderem an technischen Anforderungen, Kompensationsmaßnahmen und gesetzlichen Vorhaben. Deshalb ist es besonders bei der Gebäudetechnik entscheidend, zu hinterfragen, was wirklich notwendig ist.
Der Grundsatz Low-Tech – weniger Technik ist mehr – ist insbesondere im Etagenwohnungsbau von großer Bedeutung. So ist der Unterschied zwischen manuellen und elektrischen Rollläden für die Bewohner zum Beispiel gering, aber die Kostenunterschiede sind immens. Ähnliches gilt für hochmoderne BUS-Systeme, die eine vollständige Steuerung der Wohnung über eine App ermöglichen: Der tatsächliche Mehrwert ist gering, während die Kosten für Installation, Wartung und Ersatzteile beträchtlich sind. Entsprechend wichtig ist es, den Fokus auf kosteneffiziente Lösungen zu legen, um den Bau bezahlbar zu halten.
Effiziente Grundrissgestaltung und normative Anpassung
Ein weiterer großer Hebel liegt in der Optimierung von Grundrissen. So ist es insbesondere bei Bestandsimmobilien, die einer Nachverdichtung oder Aufstockung unterzogen werden, entscheidend, die Grundrisse so anzupassen, dass möglichst viel Wohnfläche entsteht. Das könnte bedeuten, dass geräumige Treppenhäuser oder großzügige Eingangsbereiche zugunsten zusätzlicher Wohnfläche reduziert werden.
Darüber hinaus sollten sich Bauherren vor Augen führen, dass die meisten Normen keinen gesetzlichen Status besitzen. Das bedeutet, dass man als Bauherr von vielen Normen abweichen kann, solange die Qualität nicht beeinträchtigt wird. Das eröffnet Bauherren die Chance, ihre Bauprojekte individuell anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln.