Lipödem – Mehr als nur Übergewicht: Wie Stigmatisierung die Heilung blockiert

Frau mit Übergewicht (über Vadym Petrochenko)
Frau mit Übergewicht (über Vadym Petrochenko)

Das geht mit etwas Disziplin, Sport und einer Diät wieder weg. Du musst dich einfach nur mehr anstrengen.“ Solche Aussagen haben viele Lipödem-Betroffene schon gehört. Die Erkrankung, die fast ausschließlich Frauen betrifft, wird von vielen nicht ernst genommen und fälschlicherweise als Übergewicht abgestempelt.

Im Netz überschlagen sich Hobby-Mediziner mit vermeintlichen Weisheiten. Lipödem sei nur eine Ausrede für schlechte Ernährung und Bewegungsmangel. Manche sehen darin sogar einen Social-Media-Trend, den man nicht weiter beachten sollte. Schließlich hätten Frauen früher auch nicht über so etwas geklagt. Für einige eine „Modeerscheinung für hysterische Übergewichtige“ – eine Vorstellung, die ebenso unsachlich wie verletzend ist.

Die medizinischen und psychischen Folgen dieser Ignoranz sind gravierend

Betroffene kämpfen nicht nur mit dem körperlichen Schmerz und der Scham, sondern auch mit der Stigmatisierung. Diese reicht weit über das private Umfeld hinaus und findet sich auch in Arztpraxen.

Viele Lipödem-Patientinnen berichten, dass ihre Krankheit selbst von Fachärzten über Jahre hinweg nicht erkannt oder mit Adipositas verwechselt wurde. In der Folge quälten sich viele mit Diäten und verbrachten unzählige Stunden im Fitnessstudio – alles vergeblich.

Der Umfang ihrer Beine und Arme blieb bestehen, ebenso wie die Schmerzen. Die korrekte Diagnose erhielten sie oft erst Jahre später, oder gar nicht.

Experten vermuten eine hohe Dunkelziffer

Dabei ist eine rechtzeitige Diagnose und der Beginn einer entsprechenden Therapie entscheidend, um den Leidensdruck der Betroffenen zu minimieren. Die gesellschaftliche Stigmatisierung verstärkt das Leiden jedoch zusätzlich. Laut Studien, auf die sich die offizielle Leitlinie der deutschen Lipödemfachgesellschaften stützt, entwickeln viele Betroffene im Laufe der Zeit psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Essstörungen.

„Die psychischen Belastungen unserer Patientinnen sind immens“, berichtet Dr. David Christel, Experte für lymphologische Erkrankungen und ärztlicher Leiter der CG LYMPHA in Köln. „Viele Frauen internalisieren die gesellschaftliche Schuldzuweisung, was oft zu psychischen Leiden führt. Depressionen und Essstörungen sind leider keine Seltenheit.“

Diese falschen Annahmen und Vorurteile erhöhen den psychischen Druck auf die Betroffenen zusätzlich. Umso dringender ist es, Aufklärung zu betreiben und das gesellschaftliche Bild vom Lipödem zu korrigieren. Nur so kann den betroffenen Frauen gerecht werden und ihnen der Weg zu einer frühzeitigen Diagnose und effektiven Therapie geebnet werden.

Es ist Zeit, Lipödem als das zu sehen, was es ist: eine ernstzunehmende, chronische Erkrankung, die mit Entzündungen und Schmerzen verbunden ist. Es ist kein Lifestyle-Problem, sondern eine Krankheit, die Aufmerksamkeit, Forschung und vor allem Verständnis erfordert. Nur so können die Betroffenen die Hilfe bekommen, die sie wirklich brauchen.

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