Zahlreiche abgesagte Silvester- und Neujahrsfeiern, tausende gestrichene Flüge, ein Dämpfer für die Kreuzfahrtindustrie: Die hochansteckende Omikron-Variante des Coronavirus macht den Hoffnungen der US-Wirtschaft auf Erholung zu Beginn des neuen Jahres einen Strich durch die Rechnung. Die Aussichten für 2022 sind nicht berauschend: Der Personalmangel und die Preissteigerung in den USA könnte sich noch verschärfen.
„Wir sehen erste Anzeichen dafür, dass Omikron Auswirkungen auf die Wirtschaft hat, insbesondere in Branchen, in denen der persönliche Kontakt das wichtigste ist“, sagt der Experte Oren Klachkin von Oxford Economics. Er verweist vor allem auf die Gastronomie.
Auch die Kreuzfahrtbranche wird in Mitleidenschaft gezogen: Nachdem zwischen 15. und 29. Dezember mehr als 5000 Corona-Fälle auf Kreuzfahrtschiffen in US-Gewässern im Vergleich zu lediglich 162 Fällen in den zwei vorhergehenden Wochen gemeldet wurden, zog die US-Gesundheitsbehörde CDC die Reißleine: Sie rät inzwischen selbst vollständig Geimpften von Kreuzfahrten ab.
Die Betreiber zeigten sich von der Entscheidung enttäuscht. Die Stellungnahme der CDC sei „verblüffend, insbesondere wenn man bedenkt, dass die auf Kreuzfahrtschiffen festgestellten Fälle durchweg eine sehr kleine Minderheit der gesamten Passagiere an Bord ausmachen und dass die Mehrheit dieser Fälle asymptomatisch oder von leichter Natur ist“, teilte der Branchenverband mit.
Ökonomen zufolge lässt sich das Ausmaß der Auswirkungen von Omikron auf die weltgrößte Volkswirtschaft derzeit nur schwer beziffern. Die Analysten von Moody’s senkten jedoch bereits ihre Wachstumsprognose für das erste Quartal von fünf auf rund zwei Prozent.
Gestrichene Veranstaltungen und abgesagte Restaurant-Reservierungen seien jedoch nur ein Teil des Problems, warnt die Ökonomin Diane Swonk von Grant Thornton. Wegen des Anstiegs der Infektionszahlen drohe zunehmend ein Personalmangel. „Das ist nicht neu, wird durch Omikron aber verstärkt.“
Steigen die Infektionszahlen, erhöht sich auch die Zahl der Arbeitnehmer, die wegen eines positiven Corona-Tests oder Kontakts zu einem Infizierten in Quarantäne müssen. Der daraus resultierende Personalmangel könnte einen großen Teil der Wirtschaft lahmlegen. In der Folge könnte es schwierig werden, „selbst die lebensnotwendigen Dienste“ aufrechtzuerhalten, erklärt Swonk.
Am deutlichsten wurde dies durch die Absage tausender Flüge über die Weihnachtsfeiertage wegen Personalmangels. Im Bemühen, die Lage etwas zu entspannen, hat die Regierung von Präsident Joe Biden bereits die empfohlene Isolationsdauer für symptomfreie Infizierte von zehn auf fünf Tage halbiert.
Schon vor Auftreten von Omikron hatten Unternehmen landesweit Probleme, offene Stellen zu besetzen. Neben zahlreichen Frühverrentungen war auch die Abneigung vieler Arbeitnehmer, inmitten der Pandemie ins Büro zurückzukehren, dafür ausschlaggebend. Zwar sank die Arbeitslosenquote im November auf 4,2 Prozent, die Erwerbstätigkeit liegt jedoch weiterhin deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie.
Einige Experten warnen zudem, dass sich die Inflation, die auf den höchsten Stand seit fast vier Jahrzehnten gestiegen ist, durch Omikron weiter verschärfen könnte. „Es besteht ein reales Risiko, dass die Virusvarianten eher inflationär als inflationshemmend wirken“, sagt Swonk.
Mark Zandi, Chefvolkswirt von Moody’s, erwartet hingegen anders als bei der Delta-Variante nur „moderate“ Auswirkungen von Omikron auf die Preisentwicklung. So hätten etwa die Versorgungsengpässe nachgelassen. Außerdem sei damit zu rechnen, dass Arbeitnehmer wegen der milderen Krankheitsverläufe „schneller wieder zur Arbeit kommen“.